Auslandspraktikum in Serbien – ein Erfahrungsbericht

Mein Auslandspraktikum in Serbien war eine lehrreiche und wertvolle Erfahrung!

Im Rahmen meines Life Science-Studiums durfte ich im Herbst letzten Jahres ein Auslandspraktikum in Serbien absolvieren. Heute erzähle ich euch von meiner Erfahrung, vielleicht ist das ja auch etwas für dich?

Die Entscheidung

Schon immer wollte ich eine Auslandserfahrung in mein Studium integrieren. Doch ein Auslandssemester war mir zu lange, da ich in Deutschland persönliche Verpflichtungen hatte. Ich wollte ein neues Land entdecken, neue kulturelle Erfahrungen sammeln, und nette Leute kennenlernen. Ich dachte mir: „Das Studentenleben und Prüfungsstress lerne ich auch in Deutschland kennen. Aber wenn ich in einem Team im Ausland mitarbeite, so erlebe ich viel mehr Neues! Da es bei einem Praktikum wahrscheinlich nicht so viele andere Expats gibt, werde ich gezwungen, mehr Kontakt zu Einheimischen zu haben“. Das sah ich als großen Vorteil, denn genau darum geht es ja bei einer Auslandserfahrung. Außerdem konnte ich so die Arbeit in einem ausländischen Team erleben, was im eigenen Land so natürlich nicht möglich ist. So war für mich also klar – es wird ein Auslandspraktikum!

Schwierigkeiten bei der Organisation

Für mein Studium musste ich ein zweimonatiges Praktikum absolvieren. Da dachte ich mir: „Perfekt, dann schlage ich doch zwei Fliegen mit einer Klappe und kombiniere dieses Pflichtpraktikum mit meinem Wunsch nach einem Auslandspraktikum“. Doch ein solches Praktikum zu organisieren, war schwerer als gedacht. Ich musste einen Praktikumsplatz finden, eine Unterkunft organisieren, und ggf. finanzielle Unterstützung an Land ziehen. Die Websites der ausländischen Pharmaindustrie waren sehr verwirrend, denn sie sind eher auf Patient:innen ausgerichtet, und nicht auf Jobsuchende oder Praktikainteressierte. Es war schwer, herauszufinden, an welchen Standorten welche Forschung stattfindet – denn oft hat sich ein internationales Unternehmen nur als Ganzes vorgestellt, ohne auf die einzelnen Standorte genauer einzugehen. Und auch Praktika an ausländischen Unis werden schnell teuer, wenn man sie privat organisiert. Somit habe ich mich entschieden, ein Praktikum über eine Organisation zu finden und mich über IAESTE beworben. Mehr dazu kannst Du in unserem Artikel „Dein Weg zum Traumpraktikum“ nachlesen.

So kam es, dass ich mich letztendlich über IAESTE auf ein Praktikum in aquatischer Ökologie in Niš, Serbien beworben habe.

Kurzer Disclaimer: Der Rest meines Praktikumsberichts bezieht sich nicht auf IAESTE oder Allgemeingültigkeiten, sondern beruht alleine auf persönlichen Erfahrungen.

Die Praktikumsbestätigung

Mehrere Wochen und wiederholtes Nachfragen später, kam die Praktikumsbestätigung und ich konnte endlich die Details organisieren! Die Unterkunft wurde von Einheimischen vor Ort für mich organisiert, d.h. ich musste mich nur noch um die An- und Abreise, Versicherungen und das Packen kümmern. Außerdem galt es noch etwas Papierkram zu erledigen, denn über IAESTE muss man einige Formulare zur Versicherung und Ankunft im Gastland ausfüllen. Doch als nur wenige Wochen vor meiner Anreise immer noch keine Unterkunft für mich organisiert war, bekam ich es mit der Angst zu tun. Generell waren die Absprache und Organisation von Seiten Serbiens etwas chaotisch, was zu sehr viel Stress bei mir geführt hat. Doch nach mehreren Anrufen, Mails, und Hilfe vom deutschen IAESTE-Team, wurde schließlich ein Hotelzimmer für mich gefunden. Fünf Tage vor meiner Abreise hatte ich also endlich die Sicherheit, dass doch noch alles gut wird! Und ich dachte: „Na gut, jetzt mache ich das beste draus“. Die finanzielle Unterstützung, die ich für das Praktikum erhalten sollte, reichte zwar nicht für die Kosten – war jedoch besser als nichts. Und so machte ich mich schließlich Ende August auf den Weg nach Serbien.

Die Ankunft

Verschiedenes serbisches Essen.

Leckeres serbisches Essen

Kaum angekommen, gab es schon die ersten Herausforderungen: Mein Bus vom Flughafen in Belgrad zur mehrere Fahrstunden entfernten Stadt Niš war ausgefallen. Und ich habe kein Wort Serbisch gesprochen. Auch Kyrillisch konnte ich nicht lesen. Und zu meiner Überraschung konnte niemand am Bussteig so richtig Englisch! Zum Glück hatte ich Kontakt zu dem Professor und einem Studenten der Fakultät, an die ich mich im Notfall wenden konnte. Mit mehreren Stunden Verspätung kam ich abends endlich an und wurde gleich nett begrüßt und vom Busbahnhof abgeholt. Nach dem Einchecken ins Hotel wurden der mich betreuende Student und ich vom Professor in eine typisch serbische Kafana zum Abendessen ausgeführt. Das ist die berühmte serbische Gastfreundschaft! Das unglaublich leckere, aber fettige und fleischlastige Essen hat mich sofort willkommen fühlen lassen.

Erste Eindrücke

Serbien war so anders als gedacht! Ich war überrascht von viel Müll und heruntergekommenen Gebäuden, von Armut und Straßenhunden, von vergleichsweise schlecht ausgestatteten Uni-Laboren. Ich war überrascht, dass Rauchen (was dort wirklich überall passiert: Im Büro, im Labor, im Restaurant…) so verbreitet ist. Und gleichzeitig war ich fasziniert von dieser unglaublichen Gastfreundschaft, den familiären Werten und der Fähigkeit, aus wenig unglaublich viel herauszuholen. Wissenschaft wird in Serbien deutlich weniger gefördert als in Deutschland, sowohl finanziell als auch durch die Möglichkeiten, die den Studierenden oder Wissenschaftler:innen offen stehen. Somit waren alle in der Arbeitsgruppe Meister im Improvisieren!

Verlässlichkeit und Pünktlichkeit wurden im Vergleich zu Deutschland nicht unbedingt großgeschrieben. Das war mir sehr fremd und hat mich gelehrt, diese typisch deutschen Merkmale noch mehr zu schätzen zu lernen. Am Anfang hat es eine Weile gebraucht, bis ich mich eingefunden habe. Tatsächlich fand ich vieles am Anfang fremd und etwas heruntergekommen. Doch je mehr unglaublich nette Leute ich kennengelernt habe, desto mehr habe ich die Menschen und das Land zu schätzen gelernt.

Neben Sight-Seeing und nette Menschen treffen, um kulturelle Einblicke zu bekommen, habe ich natürlich auch fachlich etwas aus dieser Zeit mitgenommen.

Mein Aufgabenbereich

Zuckmückenlarven – Die Versuchstiere

Aquatische Ökologie war nur im weitesten Sinne verbunden mit meinem eigentlichen Schwerpunkt. Ich bin mehr im Bereich Toxikologie, Zellbiologie, und Genetik Zuhause. Doch das Labor macht viel Ökotoxikologie und Mikroplastik-Analysen, wodurch ich einen völlig neuen Einblick in andere Bereiche der Toxikologie gewinnen konnte. Und genau darum geht es bei einem Praktikum ja auch: Mal etwas Neues zu lernen und seinen Horizont zu erweitern! So kam ich zum ersten Mal mit Feldarbeit in Kontakt. Ich habe Pflanzen umgepflanzt, um ein Marschgebiet zu restaurieren und Bodenproben eines Sees von einem Boot aus entnommen, um Wasserwerte wie Mineralkonzentrationen, Sauerstoffsättigung oder pH-Wert zu überprüfen. Ich habe mich um Zebrafische und Zuckmückenlarven gekümmert. Niemals hätte ich gedacht, dass am Anfang „eklige“ Mückenlarven einem irgendwann ans Herz wachsen können! Ich habe Mückenlarven mikroskopiert, damit mit den Bildern ein neuronales Netzwerk zu Artidentifikation trainiert werden kann. Ich habe Larven chemisch verdaut, um sie auf Mikroplastik zu analysieren. Durch die Experimente konnte gezeigt werden, ob Mikroplastik durch die Larven im Sediment transportiert wird, ob Mikroplastik in die Organismen aufgenommen wird, und durch die Larvenstadien bis in die adulte Mücke übertragen wird.

Freizeitaktivitäten

Höhlenerkundung im Rahmen des Biologie Auslandspraktikum

Das größte Abenteuer war ein Ausflug in eine Höhle, die nur mit professionellen Guides betreten werden darf.

Auch freizeitmäßig hat Niš etwas zu bieten. Es ist nicht unbedingt die Stadt mit den meisten Sehenswürdigkeiten, dennoch gibt es eine wunderschöne Innenstadt mit einer alten Festung. Aber auch traurige Momente der Geschichte finden einen Platz: Gedenkstätten des zweiten Weltkrieges, einen Schädelturm aus einem serbischen Aufstand, und ganz viele Statuen geschichtlich relevanter Menschen, die in der ganzen Stadt verstreut sind. Das Highlight meines Aufenthaltes war jedoch ein Ausflug in die Cerje Höhle. Man kann nur mit erfahrenen Guides zu festen Zeiten in die Höhle, um das dortige Ökosystem zu schützen. Außerdem ist die Höhle in keiner Weise für die breite Öffentlichkeit ausgestattet, es ist also auch ein Sicherheitsaspekt, sie nicht alleine zu erkunden. Ich wurde mit einem Neoprenanzug, reißfesten Anzug, Neoprensocken und Gummistiefeln ausgestattet. Mit Stirnlampen ging es in die pechschwarze Höhle. Wir mussten über Geröll steigen, durch hüfttiefes kaltes Wasser waten, und sogar einen kleinen Bereich klettern. Einen Kilometer tief ging es in die Höhle. Doch es hat sich gelohnt! Ich habe Fledermäuse und Salamander gesehen und natürlich das raue Gestein, Felsformationen, Stalaktiten, und Stalagmiten. Unendlich müde und erschöpft, aber wahnsinnig glücklich ging das Abenteuer nach etwa drei Stunden zu Ende.

Ein etwas sentimentales Fazit

Neben neuen Einblicken in ökologische Forschung, wunderbaren neuen Kontakten, und viel Geschichte in Niš habe ich vor allem eines gelernt: Wie dankbar ich für einige Privilegien sein kann, die für Deutsche oft so selbstverständlich sind. Wie typisch Deutsch ich in Sachen Pünktlichkeit bin. Wie besonders es ist, dass Vegetarismus, Veganismus, Mülltrennung und so viel mehr in Deutschland immer selbstverständlicher werden. Und dass wir uns aber auch ein bisschen etwas von der serbischen Gastfreundschaft und familiennahen Mentalität abschneiden können. Dass es eventuell nicht immer nur um Leistung um jeden Preis gehen muss, sondern das Leben auch ein bisschen mehr ist. Nun muss ich aber zugeben, dass ich mich in Deutschland doch sehr Zuhause fühle und mich wieder auf meine Routinen, gewisse Privilegien wie fleischloses Essen, tolle Laborgeräte,  und natürlich all die wichtigen Menschen in meinem Leben freue.

Ich habe unglaublich tolle Menschen in Serbien kennengelernt, die mich in ihren Freundeskreis integriert haben. Ich habe gefühlt, dass es nicht die äußeren Umstände, sondern die Menschen sind, die einem Land ihre Seele geben. Und als das Praktikum dem Ende zuging, wäre ich gerne noch länger geblieben – um mehr Zeit mit diesen wundervollen Menschen zu verbringen. So bin ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge wieder nach Hause gefahren, in dem Moment, als das Praktikum am schönsten war. Und ich hoffe, eines Tages einige meiner neuen Freunde wiedersehen zu können.

Alles in allem kann ich jedem nur empfehlen, ein Auslandspraktikum zu machen. Egal ob euch die Arbeit liegt oder nicht, ob ihr euch in dem Land Zuhause fühlt oder schnell wieder zurück wollt – Ihr werdet unglaublich wertvolle Erfahrungen sammeln, Euren Horizont erweitern, unglaublich tolle Menschen kennenlernen und bestimmt mit neuen Perspektiven nach Hause zurückkehren.

Ich hoffe, dieser Artikel konnte euch einen Einblick in ein Auslandspraktikum geben. Wenn ihr wissen wollt, wie man ein solches Praktikum organisiert, könnt ihr gerne in unseren passenden Artikel reinlesen.