„Ich geniesse dieses unglaubliche Freiheitsgefühl.“
– Dr. Simone Cardoso de Oliveira, Fördermittel- und Karriereberaterin, SCIEDO –
Seit etwa einem Jahr arbeitet Simone selbstständig als Fördermittel- und Karriereberaterin. Ihren Schwerpunkt hat sie dabei auf ihre eigenen wissenschaftlichen Spezialgebiete in den Lebenswissenschaften gelegt, den Neurowissenschaften und der Neurotechnologie. Da Simone als Karriereberaterin einen Beitrag zu einem erfüllteren Berufsleben anderer Menschen leisten kann, ist dieses Standbein für sie persönlich besonders bereichernd.
Nach mehr als 20 Jahren Jahren als Angestellte ist Simone mittlerweile überzeugte Selbstständige. Die Gründe dafür sind vielseitig: Sie ist in der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit äußerst flexibel. Simone kann selbst entscheiden, wie sie ihr Beratungsangebot ausgestaltet und umsetzt und mit welchen Auftraggebern sie zusammenarbeiten möchte. Sie kann außerdem das Ausmaß ihrer Arbeit und ihren Arbeitsort selbst wählen und bis über die Pensionsgrenze hinaus arbeiten. Diese Vielfältigkeit bewusst nutzen und gestalten zu können empfindet Simone als großes Privileg. Darüber, wo sie sich wann aufhält, ist sie niemandem Rechenschaft schuldig – so lange sie ihre Aufträge termingerecht abarbeitet. Theoretisch könnte man sie – eine Internetverbindung vorausgesetzt – auch am Strand von Honolulu antreffen, wenn sie keine persönlichen Termine hat.
Auf der anderen Seite ist Simone aber auch nicht völlig unabhängig von ihren Kunden. Terminabsprachen mit den Kunden müssen eingehalten werden. Damit dies funktionieren kann, bedarf es einer gewissen zeitlichen Flexibilität. Außerdem wird Simone für einige ihrer Tätigkeiten nicht entlohnt. Wie das? Mehr dazu im Teil über den beruflichen Alltag. Auch wenn ihre Einnahmequellen unsicherer sind als in einem Angestelltenverhältnis will Simone ihre Selbstständigkeit auf keinen Fall aufgeben.
Einen typischen Arbeitsalltag gibt es bei Simone nicht. Was viel Zeit in Anspruch nimmt ist die Kommunikation mit ihren Kunden per Mail oder Telefon. Wenn sie an einem Antrag schreibt und die Deadline z. B. immer näher rückt, nimmt der Fokus darauf stark zu.
Zu anderen Zeiten ist Simone viel unterwegs, gibt Workshops oder Vorträge, bildet sich weiter oder betreibt Akquise.
In ihre Tätigkeiten bringt Simone ihre gesammelte wissenschaftliche Fachkompetenz ein. „Um z. B. mögliche Fragen oder Einwände von Gutachtern vorweg zu nehmen, und um die geplanten Projekte in den Stand der Forschung einzubetten, ist meine naturwissenschaftliche Ausbildung extrem hilfreich“, so Simone. Auch verfügt sie über große Detailkenntnis, was die Mechanismen der öffentlichen Förderungen angeht und kann ihre Kunden dementsprechend kompetent beraten.
In der Karriereberatung sind Simone zudem ihre vielfältigen eigenen Berufserfahrungen aus der Akademia und der Privatwirtschaft von großem Nutzen. So kann sie ihren Kunden auch in Bezug auf bereichsspezifische Gepflogenheiten und Mechanismen weiterhelfen.
Für ihre Tätigkeit als selbstständige Fördermittel- und Karriereberaterin muss Simone ein hohes Maß an Koordinations- und Organisationsstärke mitbringen. Ihr gutes Zeitmanagement, ihre Stärke im strukturierten Arbeiten und ihr Durchhaltevermögen helfen ihr, ihre Arbeiten termingerecht fertig zu stellen. In ihrer Selbstständigkeit muss sich Simone aber auch täglich selbst motivieren und dafür ein hohes Maß an Selbstdisziplin mitbringen.
Für die Zusammenarbeit mit ihren Kunden benötigt Simone Kommunikationsstärke und eine hohe Kundenorientierung. Sie muss außerdem Flexibilität an den Tag legen, was ihre zeitliche Arbeitsgestaltung angeht. Im Umgang mit Kundenansprüchen und engen Zeitfenstern hilft ein hohes Maß an Stressresistenz.
Für die Akquise neuer Kunden muss sie auf Menschen zugehen können und professionelles Auftreten beherrschen.
Da Simone sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch arbeitet und internationale Kundenkontakte pflegt, ist eine sichere Beherrschung beider Sprachen umgangs- sowie fachsprachlich unerlässlich.
Das Schreiben bereitet Simone viel Freude. Ganz besonders geht sie in der Gestaltung von eigenen Materialien wie Flipcharts für ihre Workshops oder in Entwürfen von Marketing-Materialien auf. Hier kann sie ihrer Leidenschaft für Design und Kunst frönen, wozu sie in ihrem sonstigen beruflichen Werdegang nur selten Gelegenheit hatte.
Simone ist derzeit ca. 1/3 ihrer Arbeitszeit auf Reisen. Da sie schwerpunktmäßig in Deutschland, aber auch in Europa unterwegs ist, ist Reisefreudigkeit ein Muss.
Nicht zu unterschätzen ist auch ihr Geschäftssinn und ihre Kenntnisse, wie man als selbstständige Geschäftsfrau arbeiten muss.
Für ihre Arbeit an den Anträgen betont Simone die Wichtigkeit, kritisch zu denken und in der Lage zu sein, ihren Kunden kritische Fragen zu stellen: „Damit macht man sich nicht immer beliebt, aber oft wird ein Antrag dadurch besser.“ Ein dickes Fell für kommenden Gegenwind ist dann ganz ratsam. Auch braucht Simone eine hohe Frustrationstoleranz für den Fall, dass die Antragsteller interne Fristen nicht einhalten.
Für ihre Tätigkeit als Karriereberaterin ist Empathiefähigkeit für Simone unerläßlich, um sich in Kunden hineinzuversetzen und ihre persönliche Situation nachvollziehen zu können. Nur dann kann sie im weiteren Prozess ihrem Kunden eine angemessene Unterstützung und Impulse anbieten.
Nicht außer Acht zu lassen ist für Simone auch, sich im beruflichen Umfeld regelmäßig weiterzubilden und auf dem Laufenden zu halten. Das heißt: die relevante Presse und Fachliteratur verfolgen, Fortbildungen besuchen und auf Veranstaltungen wie z. B. wissenschaftliche Konferenzen oder Karriere-Messen gehen.
Simone arbeitet durchschnittlich in etwa so viele Stunden wie in einem typischen Vollzeit-Angestelltenverhältnis. Dennoch wirft sie ein: „ Die Arbeit fühlt sich anders an, da ich sie machen kann, wann und wo – und oftmals auch wie – ich will. Zum Beispiel die Zeit nach dem Mittagessen, die physiologisch ungünstig ist zum Arbeiten, die kann ich besser nutzen. Da kann ich beispielsweise einkaufen oder im Sommer sogar schwimmen gehen. Dafür mache dann abends länger und setze mich auch am Wochenende an den Schreibtisch.“
Zeit für den eigenen Urlaub muss Simone sich selbst einplanen und danach auch einhalten. Gerade am Anfang der Selbstständigkeit ist die Tendenz groß, in der für Urlaub eingeplanten Zeit noch ein Projekt einzuschieben, räumt Simone ein.
In Teilzeit kann man arbeiten, wenn man bereits gut im Geschäft ist und sich um sein Einkommen keine große Sorgen machen muss. „Eventuell bietet es sich gegen Ende des Arbeitslebens an, wenn man runter schrauben möchte. Zu Anfang halte ich das eher nicht für praktikabel, da ein eigenes Business mit zu viel organisatorischer und sonstiger Aufbauarbeit einhergeht. Auch wenn es nur ein kleines Business ist, das man führt“, erklärt Simone.
Bezahlt wird Simone meist nach ihren geleisteten Stunden/Tagen oder mit einer Pauschale. Im Bereich der Fördermittelberatung erhält sie manchmal auch ein erfolgsabhängiges Honorar. Darauf muss Simone manchmal allerdings bis zu einem Jahr warten, bis der Antrag entscheiden ist. Dazu muss man einen entsprechend langen Atem haben. Sie gibt zu: „Am fairsten finde ich es, wenn man sich das Risiko teilt. Dann zahlt der Kunde einen Teil meiner Arbeit vorab, und hinterher gibt es im Erfolgsfall noch eine Prämie obendrauf. Dann bleibt die Anfangsinvestition für den Kunden überschaubar, und im Erfolgsfall können sich beide freuen.“
Simone schätzt, dass sie maximal die Hälfte ihrer gesamten Arbeitszeit abrechnen kann. „Alles andere ist Overhead. Zum Beispiel meine Weiterbildungsaktivitäten, die Zeit für Kundenakquise, Marketing und für Büroorganisation kann ich nicht abrechnen.“ Sie gibt gleich einen Richtwert aus der Unternehmensberatung mit, an dem man sich orientieren kann: „Ein Jahr hat, nach Abzug von Urlaub, etwa 200 Arbeitstage. Wenn man als Freiberufler davon die Hälfte – also 100 Tage – abrechnen kann, dann ist man schon ganz gut gebucht.“ Ferner rät sie: „Man darf sich da nicht täuschen lassen. Bei 1000 € Tagessatz denken einige, dass sei viel. Aber bei 100 voll abgerechneten Arbeitstagen macht das 100.000 € brutto im Jahr. Wenn man davon ca. 30-40 % an Unkosten (für Reisen, Fortbildung, Marketing, Versicherungen, Büroausstattung, etc.) abzieht, dann bleiben nur noch 60 bis 70 000 €. Davon gehen dann noch die Sozialabgaben und Steuern ab.“
Dennoch kann man, wenn man gut im Geschäft ist, auch deutlich mehr verdienen als im öffentlichen Dienst, so Simone. „Wenn es gut läuft, kann man mehr verdienen als ein typischer Professor. Das ist auf jeden Fall ein Plus gegenüber dem öffentlichen Dienst, wo der Spielraum ganz klar begrenzt ist. Am Anfang ist es allerdings nicht einfach, auf das gleiche Gehalt zu kommen wie in einem Angestelltenverhältnis.“
Jungen Selbstständigen rät Simone, genügend Startkapital mitzubringen, um sich im Notfall auch mal ein Jahr selbst finanzieren zu können, wenn die Umsätze ausbleiben. Die eigenen Kosten laufen ja weiter, und gerade die Geschäftskosten werden häufig unterschätzt. Weiter empfiehlt sie: „Man muss auch die Disziplin haben, das verdiente Geld nicht gleich komplett auszugeben, wenn es gut läuft, sondern lieber das eigene finanzielle Polster zu erhalten oder sogar noch weiter auszubauen, um die eigene Liquidität langfristig zu sichern.“
Simone profitiert in ihrer Selbständigkeit sehr von ihrer Expertise und langjährigen Berufserfahrung in Forschung, Forschungsmanagement und der freien Wirtschaft. Auch hat sie im Laufe ihres vorherigen Berufslebens viele Kontakte knüpfen können, auf denen sie nun aufbauen kann. „Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, gerade auch in dem Unternehmen. Ohne die Erfahrungen der letzten Jahre hätte ich die Selbstständigkeit wohl nicht gewagt. Und wenn ich nur in der Uni gearbeitet hätte, dann könnte ich meine Karriereberatungskunden auch eigentlich nur glaubhaft in Bezug auf eine akademische Karriere beraten. Nach meinem Verständnis ist eine Beratungstätigkeit allgemein eher sinnvoll für Personen, die bereits ein gewisses Maß an Berufserfahrung mitbringen. Man erfährt dann auch eine ganz andere Akzeptanz von den Kunden,“ erklärt Simone.
Wer in die Fördermittelberatung einsteigen möchte ist gut beraten, zuerst einmal in diesem Bereich Erfahrung zu sammeln. Potentielle Arbeitgeber wären dafür Fördermittelgeber (Deutsche Forschungsgemeinschaft oder Projektträger des BMBF oder des BMWi) oder Förderberatungs-Agenturen. Mit mehr Erfahrung kann man schließlich auch die eigene Selbstständigkeit wagen.
Für die eigene Selbstständigkeit kann man übrigens auch selbst Fördermittel beantragen, z. B. den Gründungszuschuss. „Das sollte man sich nicht entgehen lassen, die Chancen auf Förderung sind ganz gut,“ informiert Simone.
Der Sprung in die Wirtschaft ist Simone durch einen persönlichen Kontakt gelungen. Während ihrer Forschungstätigkeit hat sie jemanden kennengelernt, der später ein Start-Up gegründet hat. Für dieses Unternehmen hat sie zunächst parallel zu ihrem Angestelltenverhältnis freiberuflich gearbeitet, bevor sie ganz dort eingestiegen ist.
„Herausfordernd bei der Fördermittelberatung ist, dass man immer Deadlines hat. Zum Ende hin wird es oftmals stressig, besonders, wenn man auf Inputs von mehreren Partnern angewiesen ist. Wann Ausschreibungen zu passenden Themen erscheinen, ist nur selten vorhersehbar, und manchmal häufen sich die Ausschreibungen zu einem bestimmten Themenbereich, während zu anderen Zeiten keine passenden Ausschreibungen laufen. Dementsprechend ist das Antragsgeschäft zeitlich sehr schwankend und schwer zu koordinieren – auch wenn es jeweils ein größeres Auftragsvolumen einbringt,“ beschreibt Simone die Nachteile ihrer Arbeit. Diese Herausforderung kann sie mit ihrem anderen Standbein kompensieren. „In der Karriereberatung sind zwar die einzelnen Aufträge kleiner, aber dafür kann man die Termine gemeinsam mit dem Auftraggeber vereinbaren und so längerfristiger planen. Und da ist man in der Vorbereitung auch meist nicht von Inputs Anderer abhängig. So ergänzen sich meine beiden Standbeine ganz gut.“
„Ich würde raten, während des Studiums ein bisschen in Wirtschaftsthemen reinzuschnuppern. Sich diese Themen im Nachhinein anzueignen ist aufwändig, und man kann unter Umständen Fehler vermeiden. Auch mit Fragen einer möglichen Selbständigkeit sollte man sich ruhig mal auseinandersetzen. Und sei es, um dann festzustellen, dass man kein Gründer ist.
Und immer über den Tellerrand gucken. Nicht nur Biologie machen, auch mal was ganz Verrücktes, Außergewöhnliches. Daraus ergeben sich dann später oftmals ganz spannende Optionen. Man hat dann ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem man der Konkurrenz vielleicht einen entscheidenden Schritt voraus ist. Keine Themen-Kombination ist so absurd, dass sich nicht eine berufliche Nische hierfür finden ließe. Und in der ist die Konkurrenz dann verschwindend gering“
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- Ruhr Universität Bochum, Biologie (Schwerpunkte: Neurobiologie), extracurriculär: Philosophie
- Promotion: Ruhr-Uni Bochum
- Koordinatorin, DFG Graduiertenkolleg
- Mehrere Post-Docs, Ruhr-Universität Bochum
- Post-Doc, Hadassah Medical School, Jerusalem, Israel
- Emmy-Noether Nachwuchsgruppenleitung
- Fellow, Hanse Wissenschaftskolleg, Bremen
- Koordinatorin, International MSc/PhD/MD-PhD Program Neuroscience in Göttingen
- Parallel dazu Gastwissenschaftlerin am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen
- Teaching & Training Coordinator, Bernstein Center for Computational Neuroscience, Freiburg,
- Leitung der Nationalen Koordinationsstelle des Bernstein Netzwerks für Computational Neuroscience, Freiburg
- Scientific Manager am Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools, Freiburg
- Nebenberuflich freiberuflich: Fördermittelberatung
- Scientific Management und Business Development, CorTec GmbH
- Selbstständige Fördermittel- und Karriereberatung
Das Interview wurde im Februar 2017 geführt.
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