„Am meisten Spaß an meinem Job macht mir die Vielfalt der Aufgaben.„
– Dr. Carsten Roller, Geschäftsstellenleiter & Ressortleiter „Ausbildung & Karriere“, Mitgliederservice, VBIO –
Wenn jemand wie Carsten schon 25 Jahre für den Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO) tätig ist, dann weiß er ganz genau, wovon er spricht. Mit Carsten haben wir einen Interviewpartner gefunden, dem man in Sachen Bio nicht so schnell etwas vormachen kann. Er ist bestens vernetzt und es bereitet ihm große Freude, sein Wissen zu teilen und an relevanter Stelle einzubringen. Aber der Reihe nach.
Der VBIO hat zwei Geschäftsstellen mit jeweils zwei Mitarbeitenden. Eine in München, in der auch Carsten arbeitet, und eine in Berlin. Während in Berlin der Fokus auf der Zusammenarbeit mit Politik und Gesellschaft sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit liegt, werden in München schwerpunktmäßig Aufgaben zur Mitglieder- und Finanzverwaltung, Ausbildung und Karriere übernommen. Dort kümmert man sich daher besonders um die Pflege der über 5500 individuellen Mitglieder des Verbands, der 70 kooperierenden Fachbereiche und Firmen und der 25 institutionellen Fachgesellschaften und die komplette Abwicklung aller finanziellen Angelegenheiten. Ein weiterer Schwerpunkt in München ist die Arbeit rund um die Themen Karriere und Ausbildung. Außerdem wird in München die Zeitschrift „Biologie in unserer Zeit“ herausgegeben und die Interessensvertretung auf Landesverbandsebene betrieben.
Laut Carsten gibt es in seinem Job keinen typischen Arbeitsalltag: „Das ist das Schöne. Dass ich jeden Tag ins Büro komme und denke, ach, jetzt will ich das und das machen, routinemäßig, und dann kommt – Rumms – ein anderes hochaktuelles Thema und man muss ganz schnell reagieren.“ Wer aber denkt, es gebe in Carstens Job keine Routine, der oder die täuscht sich. „Routineaufgaben müssen natürlich auch gemacht werden. Aber richtig spannend wird es durch die Vielfältigkeit im Job.“ so Carsten.
Fachliche Voraussetzungen im Sinne von bestimmten fachlichen Kenntnissen, die man mitbringen muss, gibt es auf dieser Position als Verbandsbiolog:in nicht. Jedoch sollte man möglichst breit aufgestellt sein und auch verhandlungssicher Deutsch und Englisch können.
Eine Promotion ist nicht verpflichtend, aber hilfreich u. a. wegen der Reputation und des Netzwerkes, das man mitbringt. Carsten schätzt das eigene Netzwerk für seine Position als sehr wichtig ein und erklärt zur Promotion: „Wenn man im Landtag als Experte eingeladen wird, wäre es schon gut, wenn man eine Promotion mitbringt und womöglich sogar zum Thema selbst im Labor gearbeitet hat. Zumindest muss man sich schnell von echten Experten auf den neuesten Stand bringen lassen und dabei vermeiden eigene Meinungen über objektive Fakten zu stellen.“
Carsten schätzt die überfachlich notwendigen Kompetenzen wie folgt ein: „Man sollte zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte finden.“ Dafür braucht man ein gewissen Gespür. Ebenfalls ist es seiner Meinung nach wichtig, bei Veranstaltungen an den entsprechenden Dress Code angepasst zu sein. Genauso verhält es sich seiner Meinung nach mit der Sprache: „In einem ministerialen Umfeld spricht man anders als mit Universitätsvertreter:innen oder mit einem Studierenden. Es braucht ein gewisses Fingerspitzengefühl, das man entweder hat oder ‚on the job‘ erlernt. Man muss sich in entsprechenden Gremien bewegen können. Ich kenne eine ganzer Reihe von Studierenden, die in bestimmten Universitätsgremien erste politische Erfahrungen gesammelt haben und nun inzwischen in der Politik an vorderster Front mitmischen können.„
Auch empfindet Carsten die Kompetenz des Netzwerkens als essentiell. Man muss in der Lage sein, sein Netzwerk kontinuierlich auszubauen und zu pflegen. „‘Man trifft sich immer zweimal‘ bedeutet in unserem Geschäft, dass jeder Kontakt wichtig ist oder wichtig werden kann. Ich hab schon manchen Zufallsbekannten später in einer wichtigen Funktion z. B. als Staatssekretär wiedergetroffen. Da hat man dann einen Vertrauensvorsprung in nachfolgenden Verhandlungen. Berührungsängste mit ‚Großkopferten‘ darf man nicht kennen. Da muss man locker und professionell bleiben“.
Über einen neuen Kollegen, der seit ein paar Monaten den VBIO unterstützt, sagt Carsten außerdem: „Er bringt einige Kompetenzen mit, die gut für uns sind z. B. sich an völlig neue Themen rantrauen, wenn man mal unsicher ist offen nachfragen, die eigenen Grenzen erkennen, aber sich davon nicht einschüchtern lassen.„
Den Einstieg beim Biologenverband, der damals noch Verband deutscher Biologen – VDBiol hieß, hat Carsten über Vitamin B, in seinem Falle über einen ehemaligen Kollegen, geschafft. Damals hatten beide bei Roland Berger Consulting gearbeitet. Durch den Kollegen hat sich für Carsten die Chance beim VDBiol aufgetan, die er konsequent genutzt hat. Carsten konnte nach einem ersten mehrmonatigen Projekt, dem „Studienführer Biologie“, weiter punkten, da er biologisch-fachlich so breit durch seine vorherigen Tätigkeiten als Post-Doc aufgestellt war: „Das hat der Biologenverband erkannt und mich gehalten.„
Seinen Start beim VDBiol beschreibt Carsten wie folgt: „Ich bin dort zunächst als Praktikant eingestiegen. Damals habe ich erst über das Arbeitsamt eine Förderung bekommen um Daten aller Fachbereiche für einen Studienführer zu sammeln. Nach zwei Jahren hat der Verband gesagt: ‚Jetzt müssen wir dem eine Festanstellung anbieten, weil sonst ist der weg.‘ Das stimmte auch.“ Auch wenn also bei einer Bewerbung nicht gleich eine Festanstellung winkt, sieht man an diesem Beispiel, dass sich der Weg über ein Praktikum oder über eine befristete Stelle lohnen kann, um einen Fuß in die Tür zu kriegen.
Der VBIO nimmt gerne Praktikant:innen, aber auch als ehrenamtliche Mitarbeiter:innen arbeiten Studierende in Arbeitskreisen und sogar im Präsidium mit. Carsten sagt ganz klar, dass man beim VBIO auch als Berufseinsteiger:in eine Chance bekommen kann. Anfangen würde man dann mit bestimmten Aufgaben, wie zum Beispiel Internetrecherchen, später dann mit Messebesuchen und dann kann man sich nach und nach anderen, verantwortungsvolleren Aufgaben widmen. Hauptsache man ist sich für nichts zu schade, sondern sieht in Allem erst mal die Chance etwas dazuzulernen.
Gefragt nach seiner Work-Life-Balance stellt Carsten ganz klar fest: „Der VBIO ist kein 40-Stunden-Job. Ich habe regelmäßig 50-Stunden-Wochen oder eine mehrtägige Veranstaltung übers Wochenende in einer anderen Stadt. Aber dafür nehme ich im Sommer, wenn nicht so viel los ist, auch konsequent Ausgleichstage. Überstunden werte ich als ehrenamtliches Engagement, da ich auch individuelles Mitglied im Verein bin. Einige Termine sind durch die ehrenamtlichen Tätigkeiten von den Fachgesellschaften auch mal zu Randzeiten. Da muss man halt aufpassen, dass es nicht ausartet.„
Bezüglich seiner Tätigkeiten an anderen Orten berichtet er, dass er unterschiedlich extern unterwegs ist, z. B. in einer Woche an drei Tagen, in anderen gar nicht, oder wie im Mai 2023 mal schnell übers verlängerte Wochenende in Kiel bei der Bundesfachschaftentagung. Da entschädigt das gute Wetter an der Ostsee und die netten Studierenden die 1600 km Wegstrecke.
Zu reduzierter Wochenarbeitszeit teilt Carsten mit: „Man kann ohne Probleme in Teilzeit sowie auch Vollzeit im VBIO arbeiten. Arbeit genug dafür ist vorhanden. Hier ist Abgrenzung ratsam.“ Er führt dazu weiter aus: „Durch Homeoffice sind auch Arbeitsbereiche möglich, die sich mit Familienarbeit vereinbaren lassen. Eine Kollegin macht das gerade so. Ein anderer hat zwei Teilzeitjobs kombiniert.“
Carstens Bezahlung erfolgt in Anlehnung an den Tarifvertrag der Länder in der Entgeltgruppe 15. Er findet sein Gehalt angemessen gegenüber seinen vielfältigen Tätigkeiten, räumt aber auch ein, dass es nicht vergleichbar sei mit Gehältern in der Industrie. „Im Vergleich„, sagt er, „ist mein Spaßfaktor allerdings höher und ich habe weniger Druck im Bereich Finanzen oder Personalführung, weil über mir ja noch das Präsidium den Kopf hinhalten muss.“ Als gemeinnütziger Verein, der sich hauptsächlich durch sein Mitgliedsbeiträge finanziert und der auch vermeiden will zu sehr von Drittmittelgebern abhängig zu sein, schwimmt der VBIO nicht im Geld. Daher sind neue Stellen nur denkbar, wenn die finanzielle Basis verbreitert werden kann. Dazu sind alle Biowissenschafter:innnen aufgefordert, mitzuhelfen.
Zur Karriereleiter im VBIO lässt Carsten wissen: „Als Einsteiger kann z. B. mein neuer Kollege, wenn er Lust hat und dabei bleibt, seine Stundenzahl bis auf Vollzeit aufstocken und in ein paar Jahren sogar meine Stelle als Ressortleiter oder als Geschäftsstellenleiter übernehmen.“ Er weist zudem auf folgendes hin: „Aufsteigen kann man auch, indem man den VBIO als Sprungbrett nutzt und woanders durchstartet. Zum Beispiel ist eine ehemalige Kollegin nun Kommunikationschefin bei einem Industrieverband und ein anderer Kollege inzwischen Chefredakteur einer Fachzeitschrift. Andere Kolleg:innen haben Karriere gemacht auf Stabsstellen von Hochschule, z. B. in der Studiengangskoordination oder im Karriereservice.„
Auch im sogenannten Hauptstadtstudio des VBIO in Berlin können Interessierte hospitieren oder ein Praktikum machen. Der VBIO arbeitet auch mit freien Autoren zusammen, die an der Verbandszeitschrift mitarbeiten oder nur so mal reinschnuppern. Je nachdem, wie das Interesse gelagert ist.
„Nimm alles mit, was du an der Uni kriegen kannst! An so tolle Informationen und Bildungsangebote – so werthaltig und preiswert – kommst du nie mehr ran. Nur das Standard-Studium zu machen, das machen 100 andere auch. Wie will man da hervorstechen? Versuche noch so viel wie möglich im Studium mitzunehmen, was dir Spaß macht. Man kann nichts Falsches machen. Das, was man nicht macht, verpasste Chancen, sind falsch.„
- Studium der Biologie (Diplom) TU München (Schwerpunkt Botanik)
- Promotion an der TU München (Schwerpunkt Mikrobiologie)
- Post-Doc am Institut für Toxikologie und Umwelthygiene der TU München
- Post-Doc im Bereich Medizinische Mikrobiologie und Biowaffenforschung am Max-von-Pettenkofer-Institut der LMU München im Auftrag der Bundeswehr
- Consulting Praktikant, Roland Berger Consulting
- Geschäftsführer beim Biologenverband vdbiol, der 2007 in den neuen Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland – VBIO übergegangen ist. Dort Geschäftsstellenleiter mit Schwerpunkt Mitgliederverwaltung und Finanzen sowie Ressortleiter „Ausbildung & Karriere“
Das Interview wurde im September 2022 geführt.