Stell Dir vor, Deine Idee könnte das Leben von Millionen Menschen zum Positiven verändern. Du könntest die Zukunft der Welt mitgestalten. Klingt abwegig? In der Welt der Biologie-Start-ups werden Visionen täglich Realität, werden Ideen zum marktfähigen Produkt und deren Produktion skaliert. Dank Menschen wie Marie.
Marie ist Naturwissenschaftlerin und arbeitet als Senior Investment Managerin bei der b.value AG. Ihre Mission? Vielversprechende Deep-Tech-Start-Ups zu scouten und auf ihrem Weg zu unterstützen – nicht nur finanziell, sondern mit Know-how. Marie sorgt dafür, dass bahnbrechende Technologien nicht in der Schublade verstauben, sondern die Chance bekommen, unsere Welt nachhaltig zu verändern.
Dazu gehören z.B. Organe aus dem 3D-Drucker für medizinische Zwecke, an denen Cellbricks arbeitet. Oder biobasierte Materalien aus nachwachsenden Rohstoffen statt Plastik von traceless materials.

Start-ups haben viele coole Ideen. Vielleicht sind dir ja die biobasierten Materialien von traceless materials bereits begegnet, hier z.B. als Haken bei C&A. ©traceless materials GmbH
Im Interview berichtet Marie uns aus der faszinierenden Welt des Venture Capitals. Wie werden Start-ups unterstützt? Welche Fähigkeiten werden im Investment Management benötigt? Und vor allem: Was macht ihre Arbeit so spannend und erfüllend? Wer weiß, vielleicht ist der Beruf ja auch was für dich?
Hallo Marie, stell dich doch erstmal kurz vor. Wer bist du, wie ist dein Werdegang und was begeistert dich momentan?

Dr. Marie Kappen gibt uns spannende Einblicke in die Start-up Welt. ©Marie Kappen
Ich habe Bio- und Nanotechnologien an der FH Südwestfalen studiert und an der Universität Osnabrück in der Abteilung Biophysik promoviert.
Dort habe ich mich mit der magnetogenetischen Manipulation von Zellfunktionen mittels biofunktionalisierter magnetischer Nanopartikel beschäftigt. Nach meiner Promotion bin ich in den Investmentbereich gewechselt, weil mich die Möglichkeit fasziniert, zukunftsweisende Technologien aktiv zu unterstützen und mich interdisziplinär quer durch die Naturwissenschaften mit den neusten Erfindungen beschäftigen zu dürfen. Seit fast vier Jahren arbeite ich bei b.value, wo wir uns auf frühphasige Investitionen, das heißt in den ersten Finanzierungsrunden nach der Gründung, im Bereich Biotechnologie und Advanced Materials fokussieren. Aktuell bin ich als Senior Investment Managerin tätig. Mich begeistert die Möglichkeit, innovative Technologien und Unternehmen zu unterstützen, die das Potenzial haben, die Welt nachhaltig zu verändern. Besonders begeistern mich neue Materialien und die Interaktion zwischen der Biologie und Technik.
Du bist Investment Managerin, was bedeutet das?
Als Investment Managerin bin ich für die Identifikation, Bewertung und Betreuung von Start-ups verantwortlich. Dazu gehören Markt- und Wettbewerbsanalysen, Due-Diligence-Prüfungen sowie die Begleitung der Verhandlung und des Abschlusses von Beteiligungsverträgen. Darüber hinaus unterstütze ich unsere Portfoliounternehmen, also Start-Ups, in die wir investiert haben, bei strategischen, operativen und finanziellen Fragen bzw. stelle Kontakte zu Experten her. Zusätzlich pflege ich Investoren-Netzwerke, repräsentiere b.value auf Veranstaltungen und trage zur Strategieentwicklung bei.
Ist Investment Managerin ein „typischer“ Beruf für Biolog:innen? Was für einen Hintergrund haben z.B. deine Kolleg:innen?
Investment Management ist kein klassischer Weg für Biolog:innen. Während vor wenigen Jahren vor allem BWLer:innen Investment Manager:innen wurden, nimmt die Zahl derer mit technischem Hintergrund zu, da ein tiefes Verständnis der Technologie hilfreich ist, um das Potenzial technischer Innovationen im DeepTech-Bereich richtig einschätzen zu können. Des Weiteren hilft die technologische Expertise, um die Portfoliounternehmen bestmöglich unterstützen zu können. Meine Kolleginnen haben im Bereich Bioverfahrenstechnik und molekulare Biomedizin/Genetik promoviert. Unser kaufmännischer Vorstand ist vom Hintergrund Diplom-Kaufmann, unser naturwissenschaftlicher Vorstand promovierter Biochemiker. Zudem besitzen beide Vorstände jahrzehntelange operative Erfahrung in der Gründung, dem Aufbau, der Führung und ebenfalls dem erfolgreichen Verkauf von Unternehmen. Von diesem Erfahrungsschatz können die Gründer:innen unserer Portfoliounternehmen profitieren.
In was für einem Unternehmen arbeitest du?
Die b.value AG ist eine Venture Capital-Gesellschaft, die sich auf frühphasige (pre-seed, seed) Deep Tech-Startups im Bereich neue Materialien und Biotechnologie spezialisiert hat. Wir investieren in innovative Lösungen für eine nachhaltige Zukunft und unterstützen unsere Portfoliounternehmen mit Kapital, Know-how und einem breiten Netzwerk. Wir sind ein kleines Team von fünf Personen, bestehend aus zwei Vorständen und drei Investment Managerinnen. Die b.value AG ist ein privates Unternehmen mit Sitz in Dortmund, welches in Start-ups aus der DACH-Region investiert.
Wie können wir uns deinen typischen Arbeitsalltag vorstellen? Wie sieht z.B. dein Arbeitsplatz aus? Welche Aufgaben kommen unregelmäßig dazu?
Mein Arbeitsalltag ist sehr vielfältig und abwechslungsreich. Ich verbringe viel Zeit mit dem Scouting und der Analyse potenzieller Investments und dem Screening aktueller Markt- und Technologietrends. Das Scouting neuer Investmentmöglichkeiten erfolgt z.B. durch den Besuch von Veranstaltungen, durch Empfehlungen anderer Investoren, durch Internetrecherche z.B. auf LinkedIn oder dadurch, dass uns die Gründer:innen kontaktieren. Im Anschluss erfolgt die Bewertung der Technologien, die Analyse von Marktpotenzialen und die Prüfung von Geschäftsmodellen. Dabei führe ich Meetings mit den Gründer:innen und spreche mit deren Kooperationspartnern:innen oder externen Experten:innen aus der Industrie, um ein tiefes Verständnis für die Technologien und Märkte zu gewinnen und das Gründerteam einzuschätzen. Die Evaluation erfolgt im engen Austausch und intensiven Diskussionen mit allen Mitgliedern des b.value-Teams. Zu den Investitionskandidaten verfasse ich ein Investment Memorandum, das zwischen 10-20 Seiten umfasst, welche als Entscheidungsgrundlage über ein Investment für unser Team und unseren Aufsichtsrat genutzt wird. Zu meiner Tätigkeit gehört die Begleitung der Verhandlung und des Abschlusses von Beteiligungsverträgen.
Darüber hinaus betreuen und unterstützen wir unsere Portfoliounternehmen eng. Zu meinen Aufgaben gehört die eigenverantwortliche Betreuung unserer Portfoliounternehmen in strategischen, operativen und finanziellen Fragestellungen (z.B. Entwicklung von Geschäftsplänen, Produktentwicklung, IP-Strategie, Skalierung, Kundenidentifikation und -akquisition, Kooperationskontakte, regulatorische Fragestellungen), Vermittlung von Expertenkontakten sowie regelmäßige Reporting zum aktuellen Stand. Des Weiteren unterstützen wir unsere Portfoliounternehmen bei anschließenden Fundraising-Runden.
Die Kommunikation und der Austausch im b.value-Team ist sehr wichtig und sehr intensiv. Dazu treffen wir uns regelmäßig in Dortmund und in virtuellen Meetings. Ebenso gehören Dienstreisen zu meiner Tätigkeit, wie der Besuch von Veranstaltungen und Konferenzen, das persönliche Kennenlernen neuer Teams sowie der regelmäßige Besuch unserer Portfoliounternehmen.
Darüber hinaus coachen wir im Rahmen von Wettbewerben und Acceleratoren Gründer:innen, halten Vorträge und nehmen an Diskussionsrunden und als Jury in Pitch-Veranstaltungen und Businessplan-Wettbewerben teil.
Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil meiner Aufgaben. Neben den oben beschriebenen Gesprächen gehört dazu auch der regelmäßige Austausch mit anderen Investor:innen über aktuelle Technologietrends und Investitionsmöglichkeiten sowie die Kommunikation mit unserem Aufsichtsrat und unseren Aktionären:innen. Da wir ein sehr kleines Unternehmen sind, bin ich ebenfalls für die IT-Infrastruktur, das Corporate Design und die Webseite des Unternehmens verantwortlich. Andere Kolleginnen kümmern sich z.B. um die Öffentlichkeitsarbeit bei LinkedIn.

Auch Team-Events gehören dazu. Hier auf dem Family Day der b.value AG, Marie und das b.value Team zusammen mit den Gründer:innen der unterstützen Start-ups. ©b.value AG
Was macht dir besonders viel Spaß an deinem Beruf? Woran musstest du dich erst mal gewöhnen?
Besonders begeistert mich, dass ich täglich Neues und Interessantes lernen kann. Zum einen begegnen mir unzählige spannende Innovationen und Ideen quer durch die Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften. Zum anderen lerne ich enorm viel durch die Expertise und Erfahrungen von Gesprächspartnern wie z.B. Gründer:innen, Industrie-/Marktexpert:innen, anderen Investor:innen oder meinen Kolleg:innen. Darüber hinaus ist mir das Thema Nachhaltigkeit wichtig und ich schätze mich glücklich, dass ich mit meiner Arbeit einen kleinen Beitrag leisten darf, um die Zukunft zu gestalten und Lösungen für globale Herausforderungen zu fördern. Ich mochte schon immer den Umgang mit Zahlen, hatte zuvor jedoch wenig Berührungspunkte mit Businessplänen, Finanzplänen, Jahresabschlüssen, Patenten, Lizenzverträgen, der Bewertung von Marktpotenzialen etc., sodass ich mich in diesen Bereich einarbeiten musste. Man lernt immer weiter dazu und wächst in die Aufgaben hinein. Ich finde die Vielfältigkeit meiner Aufgaben großartig. Des Weiteren ist es fantastisch viele spannende und inspirierende Menschen kennenzulernen und interessante Gespräche zu führen. Außerdem kann ich mich glücklich schätzen in einem fantastischen Team zu arbeiten, mit welchem die Arbeit sehr viel Freude bereitet – das ist für mich enorm wichtig. Ich musste mich daran gewöhnen nicht mehr im Labor zu stehen und nicht mehr praktisch/experimentell zu arbeiten.
Wie bist du zu deinem Beruf gekommen? Eignet sich der Job als Investment Managerin für Berufseinsteiger:innen und braucht man einen PhD?
Ich interessiere mich seit Schulzeiten für Naturwissenschaften und Technik. Mein Studium war aufgrund der naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Inhalte sehr interdisziplinär ausgerichtet. Zudem durfte ich fachfremde Einblicke in BWL und Patentwesen erlangen. Während meines Studiums hat mich der Bereich Biomaterialien und die Grenzfläche zwischen Biologie und Materialwissenschaften fasziniert.
Nach meinem Studium habe ich mich sowohl in der Industrie als auch für Promotionsstellen beworben. Ein Angebot war besonders spannend: die Arbeit im Produktmanagement im Bereich Biomaterialien. Ich konnte mit einem vorgeschobenen Praktikum starten, um herauszufinden, ob mir dieser Bereich liegt und gefällt. Die Tätigkeit war vielseitig, da das Produktmanagement als Knotenpunkt zwischen Entwicklung, Marketing, Vertrieb angesiedelt war. Während meines Praktikums habe ich eine positive Rückmeldung auf meine Promotion-Bewerbung erhalten, sodass ich zum Ende des Praktikums vor der Entscheidung zwischen einer Festanstellung im Produktmanagement oder der Promotion stand. Da mich das Thema sehr begeistert hat, habe ich die Chance ergriffen an der Universität Osnabrück zu promovieren.
Rückblickend war es eine spannende, interdisziplinäre Arbeit und einfach eine großartige Zeit. Da für mich jedoch feststand, dass ich keine akademische Karriere verfolge, habe ich mich während des Schreibens meiner Dissertation beworben. Aufgrund der vielseitigen Tätigkeit habe ich mich im Bereich Produktmanagement sowie im Bereich Technologietransfer umgesehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch kaum Berührung mit dem Start-up-Ökosystem. Durch das Schlagwort „Technologietransfer“ bin ich auf die Stellenanzeige von b.value gestoßen und war direkt von der Aufgabenbeschreibung begeistert, da diese meine Leidenschaft für Technologie und mein Interesse für Zahlen und betriebswissenschaftliche Themen vereint hat. Ich habe das große Glück in einem fantastischen Team gelandet zu sein, mit welchen die Arbeit eine Freude ist, und einen Job gefunden zu haben, den ich als meinen Traumjob bezeichnen würden, auch wenn ich zuvor gar nicht wusste, dass es diesen gibt.
Eine Promotion ist für meine Tätigkeit als Senior Investment Managerin vorteilhaft, jedoch keine zwingende Voraussetzung. Ein weiterer Vorteil ist, wenn man bereits unternehmerische bzw. Gründungserfahrung besitzt. Es besteht durchaus die Möglichkeit bei VCs als Berufseinsteiger:in, z.B. in Junior-Positionen wie Analyst:in, seine berufliche Laufbahn zu starten.
Wie sehen die Rahmenbedingungen deines Jobs aus?

Marie ist für ihren Beruf viel unterwegs, hier z.B. auf den High Tech Venture Days in Dresden zu sehen. ©Marie Kappen
Flexible und hybride Arbeitsgestaltung, durchschnittlich 40 Stunden pro Woche, 30 Urlaubstage (bei fünf Arbeitstagen pro Woche), regelmäßige Treffen in Dortmund, Reiseanteil ist vorhanden für den Besuch von Veranstaltungen, persönliche Treffen mit Gründern und den Besuch von Portfoliounternehmen.
Die Dienstreisen finden dabei größtenteils innerhalb von Deutschland statt, es gibt Monate, da reise ich mehr als in anderen, je nachdem, wann Veranstaltungen stattfinden. Im Mittel würde ich schätzen, dass ich auf zwei bis sechs Dienstreisen pro Monat gehe.
Gibt es typische Karrierewege, die du als Investment Managerin gehen kannst?
Ich würde sagen, dass es nicht den typischen Karriereweg gibt. Nach einiger Zeit als Investment Manager gibt es Möglichkeiten zur Weiterentwicklung in der VC-Branche, z. B. zum Investment Director oder Partner in einem VC-Unternehmen. Alternativ steht ebenfalls ein Wechsel in andere Bereiche des Start-up-Ökosystems offen.
Welche Fähigkeiten braucht man für den Job und wie erlernt man diese? Welche Tipps würdest du Interessierten auf den Weg geben, die deinen Beruf anstreben?
Um in diesem Beruf erfolgreich zu sein, sind ausgeprägte analytische Fähigkeiten, fundiertes wissenschaftliches Wissen und starke Kommunikationsfähigkeiten unerlässlich. Besonders entscheidend ist die Leidenschaft für Innovationen und die Offenheit, sich mit neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen und diese zu fördern. Ein wesentlicher Teil des Arbeitsalltags besteht aus analytischer Arbeit wie der Recherche und Bewertung von Technologien und Märkten. Gute Kommunikationsfähigkeiten sowie Teamarbeit, Problemlösungskompetenzen und interdisziplinäres Denken sind ebenfalls wichtig.
Ein Verständnis für technologische Trends, Geschäftsmodelle und Marktmechanismen, Begeisterung für technische Innovationen, Nachhaltigkeit und Start-ups sind ebenfalls gefragt. Wie vorhin erwähnt, kann besonders unternehmerische bzw. Gründungserfahrung von Vorteil sein. Eigeninitiative, Organisationstalent und Teamfähigkeit runden das Profil ab. Wer sich für diesen Beruf interessiert, sollte Freude an Innovationen und interdisziplinärer Arbeit haben, gerne Verantwortung übernehmen und sich in neue Technologien und Märkte vertiefen wollen. Mit diesen Qualitäten eröffnet sich eine spannende und vielseitige Beschäftigung im VC-Bereich.
Gibt es noch etwas, was man wissen sollte oder du über deinen Beruf erzählen möchtest?
Man darf täglich neue spannende Dinge lernen. Wer Freude an Recherche und der Auseinandersetzung mit komplexen Themen hat, wird voll auf seine Kosten kommen. In diesem Beruf hat man die Möglichkeit, aktiv zur Entwicklung innovativer Technologien und Unternehmen beizutragen, was sehr erfüllend ist. Dabei ist es wichtig, Interesse für die Branche und die Unternehmen, in die man investiert, mitzubringen. Insgesamt ist der Beruf des Investment Managers äußerst abwechslungsreich.
Zum Schluss, hast du einen Ratschlag oder eine Lektion, die dir in deinem Karriereweg geholfen hat?
Ein Ratschlag, der mir auf meinem Karriereweg besonders geholfen hat, ist, neugierig zu bleiben und stets offen für neue Möglichkeiten zu sein. Man kann nie genau wissen, wie ein Job wirklich sein wird, bevor man ihn ausprobiert. Hör in dich hinein und überlege, welche Tätigkeiten dir Spaß machen. Es geht darum, das auszuprobieren, was dich begeistert, und mutig neue Wege zu gehen. Verfolge das, was dich wirklich interessiert und inspiriert. Mach das, wofür du brennst, sodass deine Arbeit dir Freude bereitet und dich begeistert!
Vielen Dank für das Interview!
Es ist immer wieder spannend zu sehen, wo wir Biolog:innen überall landen. Falls du dir eine zweite Perspektive zum gleichen Beruf anhören willst, unser guter Freund Peter hat Maries Kollegin quasi zeitgleich in seinem Podcast interviewt. Unbedingt reinhören.
Wenn du dich für Start-Ups, Unternehmertum und co. interessierst, könnte dich auch unser Interview mit Roland Stieger interessieren, der als Gründer und Business Development Manager im eigenen Unternehmen tätig ist.