„Als Post Doc hilft es, viel Ausdauer und Enthusiasmus für seine Arbeit mitzubringen.“
– Dr. Christof Grüring, Harvard University, T. H. Chan School of Public Health, Boston, Massachusetts, USA –
Christof arbeitet seit mehreren Jahren als Postdoktorand (Post Doc) an der Harvard University im Bereich der parasitären Infektiologie an der T. H. Chan School of Public Health. Die Harvard University ist die älteste Universität der USA. Sie landet regelmäßig auf den besten Plätzen der weltweiten Hochschulrankings.
Die T. H. Chan School of Public Health zählt neun Departments. Christofs Arbeitsgruppe ist im Department of Immunology and Infectious Diseases angesiedelt. Zusammen mit 17 internationalen Mitgliedern im Team forscht er am Verständnis über den Parasiten Plasmodium, den Auslöser der Malaria. Ziel seiner Arbeit ist es, weitere Erkenntnisse über den Parasiten zu erlangen, die mögliche Ansatzpunkte für neue Medikamente bieten können.
Jedes Arbeitsgruppenmitglied in Christofs Labor hat einen sog. Labjob, eine Laboraufgabe, die er oder sie zusätzlich für die Arbeitsgruppe erledigt. Christof stellt Versuchslösungen für sein Labor her, an denen sich alle bedienen können. Dieser Tätigkeit muss er etwa alle zwei Wochen nachgehen, sie kostet ihn ca. 30 min. Darüber hinaus ist er auch für die Beschaffung von Großgeräten (z. B. ein neues Fluoreszenzmikroskop oder eine Zentrifuge) zuständig. Da ein Labor diese aus Kostengründen nur selten anschafft, nimmt diese Aufgabe selten seine Zeit in Anspruch. Wenn allerdings ein Gerät beschafft werden soll, kommen eine Vielzahl von Aufgaben auf ihn zu: Marktanalyse, Einholen von Angeboten, Kontakt mit den Vertretern und die Bestellung.
Christof beteiligt sich außerdem freiwillig bei den Faculty of 1000, einem Post-Publication Peer Review, bei dem man Publikationen vorschlagen kann, die man zusammenfasst und bewertet. Dafür sucht er sich Publikationen heraus, die für seine Arbeit interessant sind und investiert hierfür Arbeit in seiner Freizeit.
Jeden Morgen schaut Christof in die Literaturdatenbank PubMed und den Journalen nach, was sich neues in seinem Arbeitsbereich und allgemein in der Wissenschaft getan hat und liest die neusten Publikationen. Danach stülpt er sich den Kittel und Handschuhe über und geht ins Labor, wo er sich die meiste Zeit aufhält.
Er kümmert sich täglich um seine Zellkulturen, damit sich die Parasiten pudelwohl fühlen und er kontinuierlich Versuche mit ihnen durchführen kann. Die Versuche bereitet er vor, indem er z. B. Lösungen ansetzt und den Parasiten eine bestimmte Behandlung unterzieht. Wenn man ihn nach seiner häufigsten Labortätigkeit fragt, antwortet er ganz selbstverständlich: „Proteine messen mittels Durchflusszytrometrie.“ Die Wartezeit zwischen den Experimenten füllt er sinnvoll mit Lesen von Fachartikeln oder Recherchearbeiten.
Christof vergleicht seine Versuche gerne mit dem Kochvorgang: Sie brauchen selbst nicht so lange wie die dafür notwendige Vorbereitung und Koordination.
Voraussetzung für einen Post Doc ist neben einem Abschluss in einem biowissenschaftlichen Studiengang natürlich die Promotion selbst. Christof ist außerdem Autor und Coautor von mehreren wissenschaftlichen Publikationen. Darüber hinaus bringt Christof eine Menge Fach- und Methodenwissen aus seiner Promotionszeit mit, denn währenddessen hat er sich intensiv mit einem anderen Malaria-Parasiten und Blut-Stammzellen beschäftigt. Dabei hat er im Labor mit den gleichen oder sehr ähnlichen Geräten (z. B. Mikroskopen und Sterilbanken) und Methoden (z. B. Polymerase-Kettenreaktion und Western Blot) gearbeitet.
Kommunikation und Vernetzung ist das wichtigste in Christofs Job. Er rät, Konferenzen ausdrücklich dafür zu nutzen, denn dies ist nicht nur in der Wissenschaft das A und O, sondern auch darüber hinaus. Der Austausch mit anderen Wissenschaftlern hilft ihm, der eigenen Betriebsblindheit entgegen zu wirken und neue Impulse für die Arbeit zu erhalten.
Wer länger in der Wissenschaft gearbeitet hat weiß, dass nicht alles auf Anhieb funktioniert, eher im Gegenteil. Christof bringt dafür einen langen Atem und eine hohe Frustationstoleranz mit. Oft steht er auch vor Ergebnissen, die er sich nicht erklären kann. Da ist guter Rat teuer. Christof behilft sich mit Kreativität, Innovationsgeist und Eigeninitiative, um den Problemen auf die Schliche zu kommen. Eigene Ideen helfen einem, in der Wissenschaft voran zu kommen und neue Wege zu gehen, die einen von anderen absetzen, erklärt Christof.
Englisch ist ebenfalls wichtig in Christofs Job. Nicht nur seine Kollegen verständigen sich in englisch mit ihm, auch die Literatur, die er liest, die Anträge, die er schreibt und die Publikationen, die er verfasst, sind in englischer Sprache. Englisch ist Wissenschaftssprache – ohne sie geht es nicht. Da seine ehemalige Arbeitsgruppe auch international aufgestellt war, konnte sich Christof in englisch bereits während seiner Promotion üben.
In dieser Zeit hat Christof außerdem viele Vorträge gehalten. Um sich darin zu verbessern, hat er an anderen Wissenschaftlern orientiert. Was kommt von ihren Präsentationen gut oder auch nicht gut an? Das wissenschaftliche Schreiben hat er sich durchs Lesen und das Verfassen von Publikationen angeeignet. Viel Input gab es diesbezüglich von seinem Doktorvater und gibt es jetzt von seinem Vorgesetzten.
Vor allem empfiehlt Christof, zu bereit zu sein, an sich zu arbeiten und sich weiter zu entwickeln. Eine große Portion Selbstsicherheit und Offenheit für Kritik bringt er auch mit, denn alles an seiner Arbeit wird hinterfragt. Zuerst von seinen Kollegen im Labor, später von internationalen Wissenschaftlern.
Christof kam direkt nach seiner Promotion in Deutschland in die USA. Als Schweizer hat er einen Antrag auf Drittmittel beim Schweizer Nationalfond gestellt, um sich den Forschungsaufenthalt in Boston selbst zu finanzieren. Hierfür hat er direkt nach seiner Promotion den Antrag gestellt, der letztlich auch bewilligt wurde. Mit diesem Geld hat er den Unterhalt für sich und seine Familie für einen Zeitraum von drei Jahren decken können.
Ein Vorteil an Christofs Job ist, dass er keine feste Stundenzahl leisten muss. Dadurch, dass er sich selbst durch das Stipendium finanziert, ist er sehr flexibel, was seine Arbeitszeiten angeht. Er kann kommen und gehen, was er möchte, was ihn jedoch nicht davon abhält, durchschnittlich etwa 9 Std. am Tag zu arbeiten. Manchmal erfordern die Versuche oder Einreichungsfristen von Anträgen es auch, dass er 10-12 Std. am Tag arbeitet. Um seine Zellkulturen am Leben zu erhalten, muss er am Wochenende noch einmal für ca. 1 Std. ins Labor.
Im Prinzip könnte man seinen Job auch in Teilzeit machen. Als junger Post Doc, wenn man noch was erreichen muss, drängt jedoch die Zeit, um gute Ergebnisse zu erzielen. In diesem Fall ist ein Teilzeitjob eher nachteilig, denn jeden Tag könnte ein anderer Wissenschaftler in einem anderen Labor die gleichen Ergebnisse veröffentlichen und den Ruhm dafür erhalten.
In seinem Institut hat Christof keine Aufstiegsmöglichkeiten. Er könnte sich als Professor auf ausgeschriebene Stellen bewerben oder, so wie viele andere, in die Industrie gehen. Dort stehen ihm eine Reihe von beruflichen Möglichkeiten offen. Christof sieht einen solchen Schritt nicht als Rückschritt sondern als eine alternative berufliche Option. Ohnehin gibt es mehr Stellen für Post-Docs als für Professoren, so dass nicht jedem Post-Doc automatisch die Option offen steht, Professor zu werden.
Nach seiner Erstfinanzierung durch den Schweizer Nationalfonds konnte Christof für seine Folgefinanzierung dort einen weiteren Antrag einreichen. Solche Folgeanträge können zweimal im Jahr eingereicht werden. Etwa einen Monat vor einer solchen Deadline beginnt er mit dem Schreiben des Antrags. Um einen guten Antrag zu schreiben, benötigt man viel Zeit, daher rät Christof, schon frühzeitig damit zu beginnen, um am Ende keine Nachtschichten schieben zu müssen. Er selbst bewirbt sich mittlerweile auch auf amerikanische Ausschreibungen.
Wissenschaftler, die an US amerikanischen Universitäten angestellt sind, werden nach dem Ansatz des National Institutes of Health (NIH) bezahlt, dem amerikanischen Bundesministerium für Gesundheit und Soziales. Gerade in größeren und oftmals teureren Städten kann es mit diesem Gehalt schwierig werden. Deshalb lohnt es sich, sich für ein Stipendium zu bewerben, da diese oft höhere Gehaltsansätze haben.
Christof hat immer weitsichtig seine Arbeits- und Studienschwerpunkte gewählt. So hat er ganz bewusst den Schwerpunkt seiner Abschlussarbeiten auf Molekularbiologie gelegt, da er sich gedacht hat, dass ihm das in seiner weiteren Laufbahn helfen wird. Er hat seine Forschung am Malariaparasiten während der Masterarbeit begonnen und danach entschieden, diesem Thema während der Promotion treu zu bleiben. Auch ist er für die Doktorarbeit bewusst ins Ausland gegangen, um in einer anderen Arbeitsgruppe Erfahrungen zu sammeln. Seinen Doktorvater hat er durch einen Vortrag kennen gelernt, den dieser im Institut gehalten hat, in dem Christof seine Masterarbeit schrieb. Da ihn das Forschungsgebiet des Wissenschaftlers interessierte hat Christof die Chance ergriffen und seinen Doktorvater in spe angesprochen – erfolgreich.
Da Post Doc-Stellen nicht unbedingt ausgeschrieben sind, hat Christof seine nächste Karrierestufe ähnlich organisiert: Auf Konferenzen hat er Kontakte zu namhaften Wissenschaftlern geknüpft, die ihn in ihr Labor eingeladen haben. In der Arbeitsgruppe seines jetzigen Chefs hat Christof einen Vortrag über sein Promotionsthema gehalten. Daraufhin wurde Christof eine Stelle als Post-Doc angeboten. Er hat sie angenommen, hat jedoch einen Antrag für ein Stipendium gestellt, da er finanziell unabhängig bleiben wollte; auch diesmal erfolgreich.
Christof bezeichnet sich nicht als Musterstudent. Die Entscheidung, einen Post Doc zu machen, kam bei ihm auf, als er realisiert hat, dass seine Promotion sehr gut gelaufen ist und ihm dadurch diese Möglichkeit offen stand.
Als Post Doc sollte man die Arbeitsgruppe in der man promoviert hat verlassen, um seinen wissenschaftlichen Erfahrungshorizont zu erweitern, sagt Christof. Für die Planung seines Auslandsaufenthaltes bis zum Arbeitsantritt vergingen bei ihm 12 Monate. Mit seinem Stipendium ist Christof in Harvard nicht automatisch im Gesundheitssystem, sondern muss dies privat zahlen. Es gibt aber einige Vorteile, die sich aus dem Stipendium ergeben: mögliche Städte- und Kinderzulagen, je nach Umrechnungskurs mehr Gehalt und natürlich Reputation.
Christof findet am Post Doc gut, dass man im Gegensatz zur Promotion etwas freier in seiner Projektwahl ist. Andererseits ist man immer auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten. Eine gewisse Unsicherheit geht mit dem Job ebenfalls einher, da man nicht weiß, wohin die berufliche Reise geht. Man kann nur in bestimmtem Maße steuern, wo ein Projekt hinführt und wie die wissenschaftliche Karriere verläuft.
Wenn Christof seinem jungen Selbst ein paar Ratschläge geben könnte, dann wäre es, proaktiver zu sein und keine Scheu gegenüber potentiellen Arbeitgebern zu zeigen. „Professoren sind zum größten Teil sehr offen, wenn man sich für ihre Arbeit interessiert“, so Christof. Auch würde er sich raten, mehr Praktika zu machen, die auch kurz sein können. Es hilft einem, viel kennen zu lernen und zu erkennen, was man selbst machen möchte. Gleichermaßen baut man sich damit schon ein erstes Netzwerk auf.
- Studium der Biologie (B.Sc.), Universität Basel, Schweiz (Schwerpunkt: Organismische Biologie)
- Studium der Biologie (M.Sc.), Universität Basel, Schweiz (Schwerpunkt: Infektionsbiologie und Epidemiologie)
- Doktorarbeit am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg
- Post-Doc, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg
- Post-Doc, Harvard University, T. H. Chan School of Public Health, Boston, Massachusetts, USA
Das Interview wurde im Februar 2015 geführt.
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