„Wissenschaftlich denken und arbeiten ohne selbst zu pipettieren“
– Dr. Anna Stein*, Mitarbeiterin in einem Projektmanagementbüro Forschungsförderung/Drittmittelberatung –
Die finanziellen Mittel, die Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen für Forschungszwecke zur Verfügung haben, decken oftmals nicht mehr als die Kosten für den Grundbedarf. Um darüber hinaus Gelder für Forschungszwecke einzuwerben, können sich diese Einrichtungen und dort angestellte Forscherinnen und Forscher um Fördergelder bewerben, sogenannte Drittmittel. Vergeben werden Drittmittel unter bestimmten Voraussetzungen von öffentlichen Forschungsfördereinrichtungen, staatlichen Einrichtungen, Stiftungen oder auch von Unternehmen.
Anna arbeitet in einem Projektmanagementbüro, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei hilft, von Drittmittelgebern Fördergelder für Forschungszwecke einzuwerben. Annas Firma bietet Unterstützung über den gesamten Projektzyklus. Teilweise beginnend bei der Idee und der Antragstellung, bis hin zur Übernahme des Projektmanagements von laufenden Projekten. Dabei wird auch die Verwertung und Verbreitung der Projektergebnisse begleitet. Ihre Kunden kommen aus der ganzen Welt, je nachdem, welche Voraussetzungen für die Drittmitteleinwerbung erfüllt werden müssen.
Teilweise wird Annas Beratungsleistung von Forschungseinrichtungen mit Verträgen als Service eingekauft. Dies wird primär von kleineren Instituten in Anspruch genommen, die keine internen Abteilungen haben, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Drittmittelakquise unterstützen. Das übernimmt Annas Firma dann von extern und berät über passende Programme. Ca. 40 Personen arbeiten in der Firma in verschiedenen Abteilungen: neben den MitarbeiterInnen, die die laufenden Anträge und Projekte betreuen, gibt es eine Abteilung die sich um Kommunikationsaktivitäten kümmert und einen Abteilung, die mit Personal- und administrative Angelegenheiten betraut ist.
Gearbeitet wird meist in Zweierteams, sowohl in der Antragstellung als auch während der Laufzeit von bewilligten Drittmitteln in den Projekten selbst. Projekt Administratoren, mit betriebswissenschaftlicher Ausbildung übernehmen dabei vorwiegend das Tagesgeschäft im Management und administrative Aufgaben während der Antragsphase, während Anna sich mit ihrem naturwissenschaftlichen Hintergrund mehr inhaltlich einbringt. Sie kennt Vorlagen für Drittmittelanträge und Richtlinien und weiß zusätzlich, auf welche Feinheiten es beim Schreiben ankommt. Sie liest daher viel Korrektur und gibt Feedback. Die Betreuung der Anträge ist komplex und zeitintensiv.
Ein Großteil ihres Arbeitstages besteht bei Anna aus Kommunikation – ob am Telefon, per E-Mail oder einem anderen Online-Kommunikationssystem, Anna ist im ständigen Kontakt mit Kundinnen und Kunden sowie Kolleginnen und Kollegen. Dabei treffen mitunter sehr unterschiedliche Charaktere und Meinungen aufeinander, die aber letztendlich ein gemeinsames Ziel verfolgen.
10% von Annas Arbeit besteht aus Organisation. Dabei ist kein Tag wie der andere und Prioritäten können sich kurzfristig ändern.
Ansonsten richtet sich Annas Arbeitsalltag nach dem aktuellen Stand der Anträge und Projekte.
Regelmäßig nimmt Anna an Teambesprechungen teil, bei denen aktuelle Themen, wie z. B. neue europäische Förderprogramme, Arbeitsprogramme oder Ausschreibungen mit den Kollegen und Kolleginnen besprochen werden. Beraten werden unter den MitarbeiterInnen dann Strategien, die zu neuen Anträgen und Projekten führen könnten.
„Langweilig wird es nie“, unterstreicht Anna. „Auch nach vier Jahren stoße ich auf Herausforderungen, die neu für mich sind und in die ich mich einarbeiten darf. Diese Vielfalt gefällt mir sehr gut.“
Ein naturwissenschaftliches Studium sowie eine Promotion gehören zu den Voraussetzungen für Annas Stelle. Mit diesem beruflichen Hintergrund fällt es Anna leicht, sich besonders im Bereich der Lebenswissenschaften schnell in die Projekte ihrer Kunden einzuarbeiten. Da die Begutachtung der eingereichten Drittmittelanträge nicht nur von Expertinnen und Experten aus dem Themenbereich in dem der Antrag gestellt wird, vorgenommen wird, ist es für ihre Kunden sehr hilfreich, dass Anna die Antragsinhalt nachvollziehen kann. Die verständliche Darstellung der Hintergründe und geplanten Projektaktivitäten spielt eine wichtige Rolle in der Bewilligung der Anträge. Nicht weniger wichtig ist auch, dass die formalen Vorgaben eingehalten werden und der Antrag visuell (z. B. durch Diagramme und Abbildungen) ansprechend ist.
Anna spricht und schreibt fließend Englisch – eine Kompetenz auf die nicht verzichtet werden kann.
Eine wichtige Kompetenz für den Job, den Anna ausübt, ist Kommunikationsfähigkeit. Sie schätzt den Anteil Kommunikation auf 70 – 80% ihrer Arbeit.
Organisation nimmt ca. 10 % von Annas Arbeit ein. Anna betreut mehrere Anträge und Projekte, in verschiedenen Programmen und unterschiedlichen Umfängen parallel. Da muss sie zeitkritische Faktoren gut im Überblick haben und Prioritäten setzten können.
Da es vorübergehend sehr arbeitsintensive Phasen geben kann, braucht Anna auch eine hohe Belastbarkeit, um mit dem Stress umgehen zu können. Aufgrund der sich schlagartig ändernden Aufgaben sind ein hohes Maß an Flexibilität, Pragmatismus, Multitasking- und Priorisierungskompetenz für ihren Job unerlässlich.
Professionelles Agieren im wissenschaftlichen Umfeld und der sichere Umgang mit der englischen Sprache sind für Anna enorm wichtig. Außerdem darf im Dienstleistungsbereich eine hohe Serviceorientierung nicht fehlen. Im Umgang mit Kunden spielt Proaktivität eine wichtige Rolle. Generell fasst Anna zusammen, helfen ihr ein gutes Organisationsvermögen und ein „gesunder Menschenverstand“
Anna hat vor ihrer jetzigen Position als Postdoc in einem EU-Verbundprojekt gearbeitet und war dort von der wissenschaftlichen Seite aus bereits mit ihrem jetzigen Arbeitgeber in Kontakt. Daher kennt sie sich mit der EU-Forschungsförderung aus der Sicht ihrer Kundinnen und Kunden aus und war ihrem Arbeitgeber auch nicht unbekannt, als sie sich beworben hat.
Anna nimmt regelmäßig an internen und externen Fortbildungen teil und liest sich durch die thematisch relevanten Newsletter, um hinsichtlich aktueller Themen wie z. B. neuer Fördermaßnahmen, offener Ausschreibungen und Veranstaltungen immer auf dem Laufenden zu sein und Kunden bestmöglich beraten zu können. Wenn sich jemand aus ihrer Firma besonders intensiv in einen Bereich eingearbeitet hat, wird dieses Wissen durch Mitschriften oder in gemeinsamen Besprechungen geteilt. Dies können Beiträge zu besonderen Themen, wie z. B. „Wie beschreibe ich ethische Aspekte in einem EU-Projekt“ sein. Auch externe Fortbildungen können wahrgenommen werden.
Offiziell hat Anna eine 40-Stunden-Woche. Antrags- und Projektphasen-bezogen wird erwartet, dass sie flexibel reagiert. Bei Anna laufen am Ende die Fäden zusammen und die Abschnitte der einzelnen Beteiligten landen teilweise spät auf dem Schreibtisch. Da die Deadlines starr sind, arbeitet sie dann auch einmal am Wochenende oder nachts. Gerade kurz vor dem Ende von Deadlines häufen sich auch mal Überstunden.
Anna hat auch Kollegen, die eine Familie und Kinder haben, die in Teilzeit arbeiten. Diese betreuen in dieser Zeit weniger Projekte und Anträge, müssen aber auch zur Deadline hin flexible Arbeitszeiten einplanen. Anna selbst ist vor kurzem Mutter geworden und befindet sich derzeit in Elternzeit. Wie sich ihre Arbeit nach ihrem Wiedereinstieg gestaltet, bleibt noch abzuwarten. Sicher wird sie dann ebenfalls die Möglichkeit der Firma nutzen, ab und zu von zu Hause aus zu arbeiten.
Generell stuft Anna ihre Position als Einstiegsjob nach der Promotion oder auch direkt nach dem Studium ein. Viele Aufgaben lernte sie über „learning by doing“. Mit ihrer Erfahrung könnte sie beispielsweise in größere Institute, die eigene Abteilungen für Drittmittelbeschaffung- oder management haben, wechseln.
In der freien Wirtschaft wird das Gehalt immer individuell zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten verhandelt. Das Einstiegsgehalt lag etwa auf der Stufe eines Post-Docs.
„Ich würde alles noch einmal genauso machen. Ich hatte das Glück, immer im richtigen Moment den nächsten Schritt gehen zu dürfen, der sich aus meiner vorherigen Tätigkeit ergab.
Für mich war es eine gute Entscheidung die Forschung in der Form zu verlassen.“
- Postdoc am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin
- Studium der Humanbiologie (Diplom) an der Universität Greifswald
- AuPair in den USA
- Abitur
Das Interview wurde im November 2016 geführt und im Februar 2021 aktualisiert.
*Name von der Redaktion geändert.