„Wissenschaftlich denken und arbeiten ohne selbst zu pipettieren“
– Dr. Susanne Eiglmeier, Publication Writer, Schepens Eye Research Institute, Harvard Medical School, Massachusetts, USA –
Susanne arbeitet seit drei Jahren als Publication Writer am Schepens Eye Research Institute, das an die Harvard Medical School angegliedert ist.
Die Harvard University ist die älteste Universität der USA, die regelmäßig auf den besten Plätzen der weltweiten Hochschulrankings landet. Die als Kernwährung in der Wissenschaft angesehenen Veröffentlichungen sind für Arbeitsgruppen sehr wichtig, weshalb eine gute Ausarbeitung von hoher Relevanz ist. An diesem Punkt setzt Susanne als Publication Manager mit ihrer Kompetenz und Erfahrung im wissenschaftlichen Schreiben an. Als Publication Writer ist ihre Hauptaufgabe, die wissenschaftlichen Veröffentlichungen ihrer Arbeitsgruppe zu schreiben, zu korrigieren und zu editieren.
Doch wie erlangt man die Kompetenz und was gehört alles zum beruflichen Tagesgeschäft eines Publication Managers?
Durch ihre Teilnahme bei den Laborbesprechungen hat Susanne einen guten Überblick über die Projekte der Post-Docs. Da sie außerdem in ihrer Arbeitsgruppe die einzige Biologin war, die bereits promoviert war (alle Post-Docs waren Medical Doctor, M.D.), ist sie mit der Zeit erste Ansprechpartnerin in Sachen Forschung für die Post-Docs. Dadurch war Susanne sehr früh in die Forschungsprojekte involviert und ist nicht erst beim Paper schreiben damit konfrontiert worden. Ein großer Vorteil, denn aufgrund dessen war es ihr möglich, bereits zu einem früheren Zeitpunkt mitzuentscheiden, ob ein Projekt bereits genug Ergebnisse erzeugt hat, um publikationswürdig zu sein. Gleichzeitig wurde sie zur Mittel“frau“ zwischen den Post-Docs und dem Arbeitsgruppenleiter, hat Meetings organisiert und die Post-Docs auf der gleichen Ebene mit betreut.
Diese Nebentätigkeit als Projektmanagerin und Betreuerin hat ihr sehr viel Freude bereitet, da sie so noch an der Forschung beteiligt war. „Ich fand es zwar gut, vom Labor wegzukommen”, so Susanne, „gleichzeitig war ich an der Wissenschaft beteiligt. Das ist eine nette Kombination. Ich mache immer noch das, wofür ich ausgebildet wurde, aber ich muss es nicht mehr selbst machen.” Für Susanne eine win-win-Situation, da es in Deutschland kaum Alternativen gibt, in der Forschung zu bleiben ohne irgendwann Gruppenleiter zu sein.
Ein typischer Arbeitsalltag als Publication Writer hängt selbstverständlich mit dem Arbeiten an einem Paper zusammen. Zum Beispiel liest Susanne ein Paper zunächst grob durch und hinterlässt Kommentare für den Erstautor.
„Immer wenn ich die finalen Paper fertig hatte, habe ich mich mit den Post-Docs getroffen und bin es mit ihnen durchgegangen und habe sie auf Stellen aufmerksam gemacht, mit denen ich selbst nicht zufrieden war,“ erklärt Susanne.
An manchen Tagen hat Susanne nur Kleinigkeiten zu korrigieren oder arbeitet an mehreren Papern gleichzeitig. „Das kann eine Revision sein, die vom Journal zurück gekommen ist, bei der nur zwei bis drei Fragen kurz beantwortet werden müssen. Oder man hat an dem Paper bereits gearbeitet und muss nur noch einen Teil überarbeiten. Das geht schneller,“ beschreibt Susanne die möglichen Aufgaben.
„Manchmal arbeite ich einen Tag nur an einem Paper. Das sind anstrengende Tage, an den man sich sehr konzentrieren muss. Es gibt keine Ausweichmöglichkeit über andere Tätigkeiten,“ räumt Susanne ein.
Für ihren Job als Publication Writer in ihrer Arbeitsgruppe benötigt Susanne ihr Biologie-Studium und die Promotion. Letzteres vorrangig dafür, dass man sich im Wissenschaftsbetrieb auskennt und bereits das ein oder andere Paper geschrieben hat.
Neben einem exzellenten Gebrauch der englischen Wissenschaftssprache ist es als Publication Writer wichtig, sich präzise auszudrücken und korrekt zu arbeiten. Beim Schreiben gilt es, sich an die Regeln zu halten und zu wissen, wie man die Wissenschaft verkauft, also eine Geschichte erzählt.
Susanne arbeitet sehr detailorientiert und genau, Fehler sind in ihrem Job nicht gerne gesehen. Sie arbeitet zudem strukturiert und verfügt über ein hohes Maß an Ausdauer.
Während ihrer Promotion war Susanne Mitglied einer International Max Planck Research Schools (IMPRS). Einer der von der IMPRS angebotenen Workshops war einer zum wissenschaftlichen Schreiben, der Susanne Spaß gemacht hat. Sie hat daraus mitgenommen, dass man beim wissenschaftlichen Schreiben ein Schema hat, nach dem man immer arbeitet: „Man braucht dafür kein besonderes literarisches Talent, man muss nur das Werkzeug verstehen.“
Bereits während Susanne als Publication Writer in ihrer Arbeitsgruppe gearbeitet hat, hat sie berufsbegleitend einen kostenfreien Online-Kurs zum Publication Writing von der Stanford University absolviert und dafür ein Zertifikat erhalten. Dafür hat sie einmal in der Woche ein 30-45 minütiges Video einer Vorlesung angeschaut und Hausaufgaben erledigt, wie z.B. Paragraphen geschrieben. „Ich habe da richtig was gelernt und kann den Kurs nur empfehlen. Auch für jemanden, der nur ein Paper schreiben muss und sich dahingehend weiterbilden möchte,“ schwärmt Susanne. Sowohl in den USA als auch in Europa gibt es Verbände für Medical Writer, die zertifizierte Kurse anbieten und jährliche Konferenzen veranstalten, wie zum Beispiel die International Society for Medical Publication Professionals, die American Medical Writing Association und die European Medical Writers Association.
Susannes Arbeitszeiten sind sehr flexibel. Sie kommt in der Regel um 8 Uhr und geht um 16 Uhr. Arbeit kann sie sich leicht mit ins Homeoffice nehmen, was sie manchmal auch tut.
Ihr Job wäre theoretisch auch als Teilzeitkraft möglich.
Unterwegs ist Susanne als Publication Writer relativ selten. Einmal pro Jahr fährt sie über die Arbeit auf eine Konferenz für Augenärzte. Privat trifft sie sich auf Veranstaltungen der American Medical Writer Association mit anderen Personen im Bereich des Medical Writing. Die AMWA organisiert nationale Konferenz in den USA und Treffen in Regionen, zu denen grundsätzlich jeder gehen kann. „Es sind mehr Frauen als Männer auf den Treffen“, antwortet Susanne auf die Frage nach dem Geschlechterverhältnis in ihrem Beruf.
In ihrer Arbeitsgruppe ist als Publication Writer kein Aufstieg möglich. Generell kann man in den Bereich des Medical Writing oder des Regulatory Writing wechseln. Innerhalb von Firmen werden vorwiegend Regulatory Writer gesucht, aber als Publication Writer bringt man auch hervorragende Qualifikationen fuer Medical Affairs Abteilungen in Pharma und Biotech Firmen mit. Diese Stellen gibt es auch in Deutschland.
Eingestiegen ist Susanne mit einem unbefristeten Vertrag und einem Gehalt von $55.000 brutto, was in den USA einem guten Post-Doc-Gehalt gleicht. Durch ihre zusätzlichen Tätigkeiten hatte Susanne eine gute Grundlage für weitere Gehaltsverhandlungen, so dass sie derzeit $75.000 verdient. Susanne empfindet ihr Gehalt ihren Tätigkeiten angemessen. Susanne erklärt jedoch, dass die Gehälter schwer mit denen in Deutschland zu vergleichen sind, da die Lebenserhaltungskosten in der Region, in der sie lebt, sehr hoch sind: „In Deutschland werden vergleichbare Stellen nach TV-ÖD 13 bezahlt, mit Erfahrung und Verhandlungsgeschick ist vielleicht der Sprung zu TV-OD 14 möglich.“
„Wer Schreiben während seiner Promotionszeit schon schlimm findet, der sollte den Job nicht machen“, rät Susanne. „Ansonsten eignet sich eine Stelle als Publication Manager wunderbar als Einstiegsposition, wenn man ein bis zwei Paper geschrieben und Erfahrung im Wissenschaftssystem gesammelt hat“, erklärt Susanne weiter.
Das Schreiben selbst ist auch sehr konzentrationsabhängig. „Man kann sich nicht jeden Tag gleich konzentrieren. Dann wird es schwierig und einseitig“, sagt Susanne.
Susanne ist durch Zufall in den Beruf gekommen. Zunächst hat sie den Weg verfolgt, als Post-Doc in die USA zu gehen und ist dabei im Büro ihres zukünftigen Vorgesetzten an der Charité in Berlin gelandet. Dieser hat herausgefunden, dass Susanne nicht nur an Forschung, sondern auch bei www.biotechnologie.tv.de im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations
aktiv war und ihr prompt eine Stelle als Grant Writer angeboten. Da sie die Zeit überbrücken musste, bis ihr Freund mit ihr in die USA gehen konnte, hat sie die Stelle angenommen. „Das Labor habe ich nicht vermisst und mir dann gedacht, dass ich auch nicht zurück ins Labor gehe,“ beschreibt Susanne ihre Entscheidung, nicht mehr in der Forschung zu bleiben und holt weiter aus: „Ich hatte unheimlich Glück, dass mir mein Chef in Berlin die Stelle als Grant Writer angeboten hat. Wer weiß, wo ich heute wäre?“
“Ich würde glaube ich gar nichts anders machen. Das einzige, was ich mir halt raten würde ist, wenn man nicht in der Forschung bleiben will, man sich auch den Post-Doc sparen sollte. Dann muss man gucken, was es gibt und schauen, wie man dahin kommt. Und ein bisschen Glück gehört vielleicht einfach manchmal dazu.”
- Studium der Biologie, Universität Kassel, (Schwerpunkt: Genetik, Tierphysiologie, Zellbiologie)
- Diplomarbeit: Max-Delbrück-Center, Tumorimmunologie
- Doktorarbeit: Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin
- Grant Writer/Public Relation: Berlin Brandenburger Zentrum für Regenerative Medizin/Therapie (BCRT)
Das Interview wurde im November 2016 geführt.