Referentin für Bioökonomie beim NABU

„Man arbeitet zu tollen Themen, die auch eine gesellschaftliche Relevanz haben. Es ist eine Sinnhaftigkeit da.“

Vivienne Huwe, Referentin für Bioökonomie –

Schonmal überlegt Karrriere im Naturschutz zu machen? Ein unheimlich wichtiges und relevantes Thema, welches uns Biolog*innen wenig überraschend besonders am Herzen liegt. Naturschutzorganisationen spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie sich für entsprechende Gesetze stark machen, die Bevölkerung aufklären und mit zahlreichen Projekten den Erhalt der Umwelt fördern. Naturschutz ist ein Querschnittsthema, das eigentlich alle Bereiche des Lebens schneidet und beeinflusst. Von der Landwirtschaft über den Straßenverkehr, der Produktion von Gütern bis zu Fragen wie welche Mindestabstände von Windrädern zu Siedlungen eingehalten werden müssen.

Entsprechend viele Expert*innen sind für die Umweltverbände tätig. Und in genauso einer Tätigkeit befindet sich Vivienne Huwe, die seit 2019 als Referentin für Bioökonomie beim Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), dem ältesten und mitgliederstärksten Umweltverband Deutschlands, tätig ist.

Als Referentin ist sie beim NABU die Hauptansprechpartnerin für das Thema Bioökonomie. Sie verfolgt den wissenschaftlichen und politischen Diskurs und hält den Verband auf dem Laufenden, z.B. durch Briefings für den Präsidenten und weitere Entscheidungsträger*innen. Sie verfasst Positionen und Standpunkte für den NABU und organisiert verschiedene Veranstaltungen rund um das Thema.

Die Bioökonomie ist dabei ein recht neues Thema, bei dem es sich im Kern um eine Wirtschaftsform handelt, die fossile Rohstoffe durch nachwachsende Ressourcen als Produktionsbasis ersetzen will. Damit zusammenhängend ist das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft, wodurch die gesellschaftliche Relevanz entsprechend hoch ist. Bekannte Beispiele der Bioökonomie sind Bereiche wie Bioplastik und Biotreibstoffe. Entsprechend spielen anwendungsorientierte Zweige der Biologie, wie z.B. die Biotechnologie, eine zentrale Rolle, wodurch das Thema nochmal besonders interessant für uns Biolog*innen ist. So ist auch Vivienne während ihres Biotechnologie-Studiums auf die Bioökonomie gestoßen und hat sich darauf spezialisiert, wodurch sie am Ende beim NABU landete.

Die Relevanz des Themas Bioökonomie für den NABU rührt daher, dass die Idee, fossile Rohstoffe durch nachwachsende Ressourcen zu ersetzen, auf dem Papier zwar erstmal toll klingt. In der Realität ist es aber, wie bei so vielen Dingen, nicht so einfach. Sollten landwirtschaftliche Flächen für Lebensmittel oder für Rohstoffe von Biodiesel genutzt werden? Ist durch die Nutzung nachwachsender Ressourcen etwas automatisch nachhaltig? Wie ihr seht, ist ein differenzierter Diskurs notwendig, weswegen auch die Naturschutzverbände hier genau draufschauen.

KERNGESCHÄFT

Bei Viviennes Tätigkeit handelt es sich primär um eine theoretische Tätigkeit, wodurch ihr Hauptarbeitsort der Schreibtisch ist. Als Referentin ist sie dafür zuständig, ihr Thema stets im Blick zu haben, Standpunkte dazu zu verfassen und sich mit Stakeholdern auszutauschen. Ihr Job lässt sich dabei grob in die verbandliche Arbeit und Drittmittelprojekte unterteilen. Ersteres bedeutet vor allem das Verfassen von Hintergrundpapieren und Positionen, sowie der interne Austausch im Verband. Bei den Drittmittelprojekten handelt es sich meist um Veranstaltungen wie Bürgerdialoge und Networking-Events mit anderen Stakeholdern und Umweltverbänden. Aufgeschlüsselt besteht ihr Job aus den folgenden Tätigkeiten:

Verarbeitung neuester Infos

Frau am Schreibtisch (Symbolbild)
Vivienne arbeitet vor allem am Schreibtisch. Sie hat ganz bewusst einen Job außerhalb des Labors gewählt. (Symbolbild)

Viviennes Hauptaufgabe ist es, das Thema Bioökonomie für den NABU im Blick zu haben. Dazu gehört viel Recherche, die mittlerweile aber zu einem guten Teil von einer studentischen Mitarbeiterin erledigt wird. Die Infos landen dann bei Vivienne auf dem Tisch, die alles verarbeitet. Wie hat sich der wissenschaftliche Konsens entwickelt? Was bewegt sich gerade in der Politik? Daraus leitet sie dann die nächsten Schritte ab. Sind neue Infos gegebenenfalls für die Positionierung des NABUs relevant? Gibt es bereits einen Standpunkt und eigene Hintergrundpapiere zu dem Thema? Oft tauscht sie sich dabei auch mit ihren Kolleg*innen aus, wenn sich das Thema mit deren Themenbereichen überschneidet.

Schreiben, schreiben, schreiben

Zu Viviennes Job gehört auch viel Schreibarbeit dazu. Neben den täglichen E-Mails verfasst sie Hintergrundpapiere, Positionierungen, Briefings, Anträge für Projektmittel, usw. Zudem muss sie phasenweise auch längere Zwischen- oder Abschlussberichte für z.B. Drittmittelprojekte schreiben.

Networking und Austausch mit Stakeholdern

Als Referentin ist sie dafür zuständig, den NABU im Bereich Bioökonomie zu vertreten. Das bedeutet, dass sie viel netzwerken muss und den Kontakt zu den unterschiedlichen Stakeholdern sucht und hält. Vor allem mit der Politik, also Referent*innen in den Ministerien und Abgeordneten, ist sie im regelmäßigen Austausch. Der Kontakt erfolgt durch direktes Anschreiben der Abgeordneten, aber auch durch entsprechende Netzwerke. Dabei handelt es sich um Zusammenschlüsse verschiedener Umwelt- und Naturschutz-Organisationen, die das Themengebiet ebenfalls begleiten, wie z.B. BUND und Greenpeace. Neben der Politik hat sie momentan auch projektbedingt viel mit bioökonomisch-tätigen Praxisakteur*innen zu tun, die bspw. Mit ökologischem Bauen, Alternativen zu tierischen Proteinen oder Agroforstkonzepten zu tun haben.

Als Referentin gehört auch der Austausch mit Mitgliedern des NABU dazu. Dieser fällt bei Vivienne aber geringer aus, da das Thema Bioökonomie eher unter dem Radar fliegt und die Menschen im Alltag bisher weniger direkt betrifft im Vergleich zu anderen Themen wie z.B. dem Ausbau von Autobahnen.

Veranstaltungsorganisation

Zum Job gehört auch das Organisieren von Veranstaltungen wie Bürgerdialogen, wo sich Bürger*innen aus unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten zum Thema austauschen. (Symbolbild)

Vivienne organisiert ca. 3-5 Veranstaltungen pro Jahr. Das können parlamentarische Events, Info-Veranstaltungen, Webinare und vieles mehr sein. Je nach Veranstaltung nehmen dabei Menschen aus der Politik, Wissenschaft, Praxis oder Zivilgesellschaft als Gäste teil. Der dafür notwendige Arbeitsaufwand kann sehr unterschiedlich ausfallen, abhängig von der Art der Veranstaltung. Ihre Hauptaufgabe ist vor allem die inhaltliche Ausgestaltung der Veranstaltung sowie das Zusammenstellen der Gäste und das Finden passender Moderator*innen. Teils kommt es auch vor, dass Vivienne selbst die Moderation übernimmt.

Für die weiteren organisatorischen Themen, wie das Erstellen der Einladungen, Finden eines Veranstaltungsortes, usw. hat der NABU ein designiertes Veranstaltungsteam, das diese Aufgaben komplett übernimmt oder dabei unterstützt.

Da Vivienne kurz vor der Corona-Pandemie eingestiegen ist, fanden die meisten Veranstaltungen bisher online statt, was sich mittlerweile etabliert hat. Bei Vor-Ort-Veranstaltungen kommt dann die Reisetätigkeit hinzu. Zuletzt ist sie z.B. für Bürgerdialoge, bei denen das Thema Bioökonomie vorgestellt und in Kleingruppen diskutiert wurde, etwas in Deutschland rumgekommen. Diese Veranstaltungen bieten eine gute Möglichkeit, um niedrigschwellig mit Bürger*innen ins Gespräch zu kommen.

EIN TYPISCHER ARBEITSALLTAG

Viviennes Arbeit ist primär ein typischer Bürojob. Sie arbeitet in einem Team bestehend aus 7 Personen. Die meiste Zeit arbeitet sie aber allein, da jeder im Team seine eigenen Themengebiete hat. Zum Tagesgeschäft gehört das Checken von E-Mails und das Verarbeiten neuester Infos, sowie regelmäßige Meetings im Team.

Wie weiter oben beschrieben organisiert sie ein paar Mal im Jahr verschiedene Veranstaltungen, wodurch sie bei Vor-Ort-Veranstaltungen ab und an verreist. Dadurch, dass Zielgruppen wie Bürger*innen unter der Woche arbeiten, finden solche Veranstaltungen oftmals erst abends oder am Wochenende statt.

FACHLICHE KOMPETENZEN

Vivienne hat einen Master in Biotechnologie, in dem sie sich auf den Bereich Bioökonomie spezialisiert hat. Das bereits vorhandene Fachwissen für den Bereich war für ihren Berufseinstieg von Vorteil. Grundsätzlich muss man aber nicht bereits vorher Experte in dem Gebiet sein, allerdings sollte die Nähe zum Themengebiet gegeben sein.

Da sie in ihrer Position den aktuellen wissenschaftlichen Stand verfolgen und verstehen muss, ist ein naturwissenschaftliches Studium Voraussetzung.

Als Fremdsprache ist Englisch notwendig, da sie auch Kontakt zu internationalen Stakeholdern pflegen muss.

SCHLÜSSELKOMPETENZEN

Für ihren Job sind bestimmte Schlüsselkompetenzen besonders wichtig. So braucht es gute Social Skills und die Fähigkeit, komplexe Prozesse herunterbrechen zu können, da man mit den unterschiedlichsten Stakeholdern aus verschiedenen Bereichen in Kontakt kommt. Von Bürger*innen über Abgeordnete hin zu Industrievertreter*innen und anderen Umweltverbänden. Es ist wichtig, sich ein Netzwerk aufbauen zu können, um Kontakt mit wichtigen Stakeholdern zu halten.

Eine gute Selbstorganisation und Neugier sind ebenfalls wichtig, da primär selbstständig gearbeitet wird und man den laufenden Diskurs stetig verfolgen sollte. Es ist zudem notwendig, ein Gespür für politische Prozesse zu haben, um zu sehen, wo dort gerade das Momentum steht.

BERUFSEINSTIEG & KARRIERELEITER

Während ihres Studiums hat Vivienne recht schnell gemerkt, dass die Laborarbeit auf Dauer nichts für sie sein wird und es für sie eher in Richtung Schreibtischarbeit gehen wird. Im Master ist sie dann für ihre Abschlussarbeit auf eine Ausschreibung einer sozialwissenschaftlichen Arbeitsgruppe beim Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) gestoßen, wo sie dann interdisziplinär zum Thema Bioökonomie arbeiten konnte. Nach dem Studium arbeitete sie noch eine Weile als wissenschaftliche Mitarbeiterin dort, bevor sie dann durch Zufall auf die Stelle beim NABU gestoßen ist und sich über die offizielle Ausschreibung beworben hat.

Es handelte sich zu Anfang um eine Teilzeitstelle (20h/Woche), die auf 1,5 Jahre befristet war. Da aber schnell klar wurde, dass das Thema weiter an Relevanz gewinnt, wurde sie nach einigen Monaten entfristet und ist auf Vollzeit gewechselt.

Grundsätzlich sieht Vivienne ihre Position für Berufseinsteiger*innen als geeignet an. Einen Master-Abschluss sollte man schon besitzen, aber eine Promotion ist nicht notwendig, auch wenn viele ihrer Kolleg*innen promoviert haben. Berufserfahrung ist natürlich immer von Vorteil, aber kein Muss.

Was die Karrieremöglichkeiten betrifft, besteht die Möglichkeit erst stellvertretende Teamleitung und später Teamleitung zu werden. Danach besteht mit steigender Erfahrung die Möglichkeit, Fachbereichsleitung zu werden. Neben der Erfahrung braucht es dafür allerdings auch ein starkes politisches Netzwerk, da man als „Aushängeschild“ des Verbandes agiert.

Eine Alternative zum internen Aufstieg als Führungskraft ist der Wechsel in die Politik als Expertin, z.B. in den entsprechenden Ministerien, oder ein Wechsel in andere Umweltverbände.

WORK-LIFE-BALANCE

Vivienne hat eine Vollzeitstelle inne. Grundsätzlich sieht sie den NABU als sehr familienfreundlichen Arbeitgeber. Es werden z.B. verschiedene Arbeitsmodelle angeboten, so dass Home Office in der Regel kein Problem darstellt. Vivienne selbst ist zurzeit im Schnitt zwei Tage die Woche im Büro und ansonsten im Home Office.

Bei ihrer Tätigkeit kann es vorkommen, dass sie insbesondere im Rahmen von Veranstaltungen auch mal am Wochenende oder abends arbeiten muss. Dies ist aber nur ein paar Mal im Jahr der Fall.

GEHALT

Die Gehälter beim NABU orientieren sich am TvÖD.

WAS MAN SONST NOCH WISSEN SOLLTE

Schlaue Leute werden auf allen Ebenen des Naturschutzes gebraucht.

Grundsätzlich sieht Vivienne die Einstiegschancen im Naturschutz momentan als gut an, weswegen man die Augen offenhalten sollte. Themen wie Bioökonomie sind im Trend, da internationale Klima- und Biodiversitätsziele ein Umsteuern unserer eingefahrenen Lebens- und Produktionsweisen erfordern. Es handelt sich hierbei um Querschnittsthemen, wo viel interdisziplinär mit Menschen aus allen möglichen Bereichen zusammengearbeitet wird. Deswegen kann es sich lohnen, bereits im Studium Biologie mit anderen Themen zu kombinieren. Auf jeden Fall ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich in diese interdisziplinären Themen im Bereich Nachhaltigkeit reinzufuchsen, da diese Zukunft haben.

RAT AN MEIN STUDIERENDES ICH

Man sollte sich nicht scheuen zu gucken, wofür man brennt! Und auch wenn ein Thema gerade nicht das richtige ist, schau, was du daraus mitnehmen kannst.“

BISHERIGER WERDEGANG

Wer sich für den Bereich Naturschutz als Karrierepfad interessiert, sollte bei unserem Interview mit Dr. Lutz Fischer, Leiter der Aquaristik und Terraristik des Klimahaus Bremerhaven, vorbeischauen. Genauso interessant ist unser Interview mit einer Biologin, die in einem Landschaftsplanungsbüro arbeitet.

Das Interview wurde im Dezember 2022 durchgeführt.